Die Wahl der Qual

 

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Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Aus dem Nähkästchen

Interview mit Robyn

 

Jedes Lebenfrühlingstreffen ist es wieder eine neue Diskussion und manchmal auch ein ziemlicher Kampf, Räume für SM-Lesben zu finden, und es hängt sehr von der Stadt ab, in der das LFT stattfindet, ob sich im Orga-Team Frauen finden, die Lust haben, einen Playroom oder Veranstaltungen zu organisieren. Ganz oft passiert es, dass sich das Orga-Team drüber zerstreitet, ob es SM-Veranstaltungen geben darf, und das führt oft dazu, dass die SM-Veranstaltungen gekennzeichnet werden müssen, um Frauen, die mit SM schlechte Erfahrungen gemacht haben oder die SM als Gewalt erleben, davor zu schützen, versehentlich in eine SM-Veranstaltung zu geraten. Ein weiterer Streitpunkt ist der Verkauf von Sexspielzeug, weil viele politisch korrekte Lesben Sexspielzeug - also besonders Dildos oder Handschellen - als bedrohlich oder faschistisch empfinden. Zum Teil kamen Frauen dann einfach zu der Lösung, dass Sexspielzeug nur in einem gekennzeichneten Raum verkauft wird oder der Raum, in dem Dildos verkauft werden, abgeschlossen ist.

Ich hab's persönlich schon erlebt, dass ich von Frauen, die SM ablehnen, als Faschistin beschimpft wurde, das hat mich sehr verletzt und geärgert. Aber größtenteils war es so, dass Frauen, die mich dann genauer kennengelernt haben, das auch trennen konnten, festgestellt haben, dass ich vielleicht ein netter Mensch bin, und eine Sexualität lebe, die sie nicht teilen wollen, dass sie mich aber so trotzdem akzeptieren können. Es gibt aber auch Frauen, die jemanden nicht zu Hause besuchen wollen, die offenes Sexspielzeug rumliegen hat. Das heisst, wenn ich weiß, dass eine Frau Probleme mit SM hat, sag ich ihr halt vorher, ich hab zu Hause ein Spielzimmer oder bei mir hängen Peitschen an der Wand, und das muss die Frau dann mit sich klarkriegen.

Und bei einem LFT führte das dann dazu, dass die Frauen, die gern eine SM-Veranstaltung machen wollten, separate Räume angemietet haben, ein Domina-Studio, und dort eine Playparty gemacht haben. Das war beim letzten LFT so und wird diesmal auch wieder so sein, und das funktioniert relativ gut.

Frauen, die sich damit aktiv auseinandersetzen und zu dem Schluss kommen, dass sie SM aus politischen Gründen ablehnen, kann ich akzeptieren. Es gibt auch Frauen, die zu dem Schluss kommen, dass sie SM nicht gut finden, aber trotzdem anderen das Recht zugestehen, ihren eigenen Raum zu haben. Aber es gibt auch Frauen, die sich mit SM nie auseinandergesetzt haben und einfach von der Theorie her sagen, sie lehnen das ab.

Es gibt eine Theorie von Sheila Jeffries und Mary Daly und einigen Feministinnen, dass halt SM generell eine Wiederspiegelung der patriarchalen Verhältnisse ist und die wird von linken Gruppen auch aufgenommen, die halt SM als Wiederspiegelung des Patriarchats sehen und gleichzeitig als Konsum, zum Beispiel sagen: ihr seid viel zu sehr damit beschäftigt, euch teure Fetischklamotten zu kaufen und perversen Sex zu haben und kommt darüber nicht zur Weltrevolution. Oder dass zum Beispiel irgendwelche Uniform- oder Copgeschichten reale Gewaltverhältnisse darstellen und damit diesen realen Gewaltverhältnissen Macht geben und die ständig wiederherstellen.

Es ist noch ein Thema, aber es ändert sich. Es ist auch von Stadt zu Stadt sehr verschieden. In der Schwulenszene ist es in, in Fetischklamotten rumzulaufen, obwohl auch sehr viele schwule Männer, die in Lederklamotten rumlaufen, keinen SM machen. In der Lesbenszene ist es immer noch so, dass eigentlich nur die Frauen, die sich tatsächlich mit SM identifizieren, es sich leisten können, mit eindeutigen SM-Sachen rumzurennen. Aber insgesamt scheint sich die Lesbenszene in den letzten zehn Jahren sehr liberalisiert zu haben. Heute ist es möglich, in ein Orgateam-Treffen vom LFT zu gehen und zu sagen: "Ich möchte gern, dass es einen Playroom gibt", und die Frauen werden sich das anhören und versuchen, dafür irgendeinen Lösung zu finden.

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001