Die Wahl der Qual

 

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Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Aus dem Nähkästchen

Masettos Bericht

 

Ich muß ungefähr 4 Jahre alt gewesen sein und natürlich wußte ich nicht, daß ich dabei war, mich auf den Pfad des SM zu begeben. Woran ich mich ziemlich deutlich erinnern kann, ist eine Szene, die mich jedesmal zum Schmunzeln bringt. Einmal bin ich unter dem Stuhl gekrochen, wo meine Oma gerade saß und krabbelte um ihre Füße herum. Irgendwann hat sie einen Fuß auf mich gesetzt, vielleicht habe ich sie sogar darum gebeten. Wie auch es sein mag, ich habe damals ein sehr starkes Lustgefühl empfunden und in den folgenden Monaten habe ich sie des öfteren gebeten, mich zu treten, was sie ab und zu auch tat - ein Dutzend Jahre später hat meine Mutter mir dies mit einer zufälligen Bemerkung bestätigt. Was mich immer wieder ins Erstaunen versetzt, ist, dass seitdem für mich Erotik immer unmittelbar mit der Wünschvorstellung verbunden ist, zu Füßen einer Frau zu liegen, ihr die Füße zu küssen und von ihr getreten zu werden.

Immer wieder habe ich mich den Kopf darüber zerbrochen, wo dieses Interesse herkam, besonders als mit der Pubertät meine erotischen Fantasien immer stärker und lustbeladener wurden. Gleichzeitig war mir auch dramatisch klar, daß mein Wunsch, von einer Frau zu Boden geworfen zu werfen, gefesselt, gedemütigt und niedergetreten zu werden, nicht den herrschenden Vorstellungen einer normalen Sexualität entsprach. Mit 19 bin ich deswegen zu einem Psychoanalytiker gegangen und habe mich lange Zeit therapieren lassen, eine Erfahrung, die mir sehr geholfen hat. Die Ursache meiner SM/Fetischneigung dürfte darin liegen, daß ich mich schon mit 9 Monaten und 3 Jahren zwei chirurgischen Eingriffen an Beinen und Füßen unterziehen mußte. Ich war mit zu kurzen Achillessehnen auf die Welt gekommen; dazu waren meine Füße stark nach innen gebogen. Wäre ich nicht rechtzeitig operiert worden, wäre ich ein Krüppel gewesen. So gerade in den ersten Monaten waren Füße und Beine absolut der Mittelpunkt meines Lebens. Mit ihnen waren der Schmerz der Operationen, die Wahrnehmung der Gewalt, die mir angetan wurde, eng verbunden. Mit diesen Empfindungen vermischte sich damals das angenehme Gefühl, doch gepflegt und geliebt zu werden. Ich wurde gepflegt und gleichzeitig gequält, für mehrere Monate mußte ich Gipsbeine tragen. Dies hat dazu geführt, daß ich Lust empfinde, wenn ich am Boden liege, mich nicht bewegen kann, einem übermächtigen Druck ausgesetzt und ausgeliefert bin und daß Beine und Füße für mich libidinös geladene "Objekte" sind.

Bücher waren meine ersten Informationsquellen. Dort war SM als Perversion beschrieben - äußerst beunruhigend also. In der Pubertät fand ich das alles extrem verunsichernd. Ich bin ein kontaktfreudiger Mensch, hatte viele Freunde, brachte sehr gute Leistungen in der Schule und sah mich trotzdem als Perverser abgestempelt, quasi an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Ich empfand das alles als eine große Ungerechtigkeit.

Den Kontakt zu anderen habe ich spät gesucht, erst nach meinem Umzug nach Berlin. Ich habe die Entscheidung getroffen, da ich Leute kennenlernen wollte und endlich mal mit Gleichgesinnten über SM sprechen. Es war eine Bauchentscheidung. Die größte Hürde ist es, das Bewußtsein zu erlangen, daß man nicht alleine mit seinen Wünschen ist, daß man darüber sprechen kann, daß diese Wünsche auch in Erfüllung gehen können, daß man keine Angst davor haben soll - also eher mit sich selbst im Reinen zu sein.

Wie schon gesagt, waren anfänglich meine Neigungen für mich ein dramatisches Problem. Ich habe mich sehr geschämt und dachte nie an ein Coming-Out - nicht mal im kleinen Kreis. Andererseits, da ich nicht davon "geheilt" werden konnte, wollte ich sie dann auch erleben und darüber sprechen. Mein Coming-Out habe ich immer als eine private Angelegenheit betrachtet, die nur diejenigen angeht, die mit mir Sex bzw. eine Beziehung haben wollen oder Gleichgesinnte, die mit mir darüber sprechen wollen. Daher habe ich mit meinen Eltern nicht darüber gesprochen: sie würden mich nicht verstehen, und es würde niemandem was bringen. Über meine SM- bzw. Fetisch-Neigungen wissen nur die Frauen Bescheid, mit denen ich diese ausleben konnte. Im Grunde waren ihre Reaktionen positiv, zumal ich mich erst "geoutet" habe, wenn schon ein gewisses Vertrauen bestand.

Ich habe nur Partnerinnen bzw. Freundinnen außerhalb der SM-Subkultur gehabt, und habe sie alle unter den unterschiedlichsten bzw. gewöhnlichsten Umständen kennengelernt. Bei den meisten meiner Freundinnen habe ich meine Wünsche behutsam geäußert und sie z.T. realisiert. Das Thema SM/Fetisch habe ich immer nach einer Weile angesprochen, wenn schon eine stabile Vertrauensbasis geschaffen war. Um meine Fantasien zu erleben, brauche ich keine besonderen Accessoires, und es war nicht so schwierig, einer Freundin irgendwann die Füße zu küssen und sie dazu zu bringen, daß sie den Fuß auf meinem Körper setzt. Manchen hat das aber nicht besonders viel Spaß gemacht. Sie haben es getan, um mir einen Gefallen zu tun und dementsprechend sind wir in einem sehr soften Bereich stehengeblieben.

Als Student hatte ich eine Freundin, der ich nach langem Zögern von meiner Vorliebe für weibliche Füße erzählt habe; schließlich ließ sie sich dazu bewegen, ab und zu richtiges "trampling" mit mir zu betreiben. Einige Zeit später gestand sie mir, daß sie es erregend finden würde, von einem "Lehrer" die Augen verbunden zu bekonnem, gefesselt und auf den Po gehauen zu werden. So haben wir "spanking" für sie und "trampling" für mich kombiniert - dabei habe ich mich wohl gefühlt und glaube, daß ich auch "switchen" könnte.

Ich habe viele Kontaktanzeigen - mehr oder weniger explizit - aufgegeben: nur eine war ein Volltreffer. Ich habe eine dominante junge Frau kennengelernt, die meine Fantasien gut fand. Ihr machte es auch Spaß, mit mir zu ringen. Als sie mich besiegte, setzte sie ihren Fuß in der klassischen Siegerpose auf meinem Körper: sie zwang mich, ihn zu küssen usw. Ihr machte es auch Spaß, mich verbal zu dominieren, was ich davor nie erlebt hatte, und wirklich super fand. Ich fand es schön, sie zu siezen, sie Herrin zu nennen und sie anzubeten. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen.

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001