Die Wahl der Qual

 

Zeigen der Geräte
Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Aus dem Nähkästchen

Interview mit Markus

 

Ich fahr ja nur noch einmal im Jahr nach Hause, und seitdem ist das Verhältnis zu meinen Eltern ja auch ganz prima. Und wir hatten einfach vor Abfahrt des Zuges noch so viel Zeit, da hab ich dann meine Mutter und meine Schwester mal mitgenommen - weil sie sich noch nie allein reingetraut haben - in den größten Sexshop am Platz. Der ist witzigerweise schräg gegenüber dem Dom. Sind wir also da reingegangen und haben da eine wunderbare, sehr unterhaltsame Stunde verlebt mit lautem Gelächter und so. Das trieb die anderen männlichen Kunden des Ladens natürlich auch ganz schnell raus. Der Besitzer versuchte noch, durch Lauterdrehen des Radios mit deutschen Schlagern unseren Spaß zu ersticken, er hatte aber keine Chance. Rundherum gekuckt, alles angefasst, hier gekuckt und sich erklären lassen - sieht schon alles schräg aus. Irgendwann kriegte meine Mutter dann so Brustklemmen in die Hand, wo das ja auch draufstand: "Brustklemmen". Und "Wie, Brustklemmen?" - "Ja." - "Wie, wofür sind die?" - "Ja, steht doch drauf: für die Brüste." - "Ja, aber das tut doch aua!" - "Ja, das soll es ja auch." - "Ach." Nichts weiter erzählt. Und während wir da so stöberten, hab ich mir dann eins der hübschen Bondagemagazine mitgenommen und das dann auch gekauft und bezahlt, und sie kuckte nur drauf: "Hm, und auf sowas stehst du?" - "Ja," sag ich, "ich binde meine Frauen im Bett gerne fest." Das war sozusagen das Outing, und da wurden keine großen Fragen mehr gestellt.

Ne Weile später, ich glaub, es war tatsächlich genau ein Jahr später, als ich wieder da war, waren wir dann mal zusammen essen gegangen, und da hab dann mal ein bisschen mehr erzählt. Das war dann aber schon, als ich jetzt hier in Berlin die ganzen Leute getroffen habe und erzählt habe, wie nett das ist, diese ganze schöne Gruppe und so. Da war ich grade in der missionarischen Phase, du kennst das. Soviel wollte sie dann gar nicht hören. Aber witzigerweise hat sie da gar nicht groß nachgefragt, interessiert sie auch kaum, sie ist eigentlich viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Sie hat eigentlich viel eher nachgefragt und konnte es gar nicht glauben und ist immer noch ungläubig, wie es denn kommt, dass ich nun zufälligerweise unter anderem auch auf dicke Frauen stehe. Da war sie also völlig von den Socken, als ich das mal so erzählte. Und da musste ich es wirklich soweit treiben, dass ich irgendwann mal eins dieser Magazine mitbrachte, also ein Pornoheft mit dicken Frauen. Hab ich natürlich eins ausgesucht, wo die dann auch noch einigermaßen schön aussahen und hab ihr das mitgebracht. Das konnte sie gar nicht verstehen. "Und das findst du gut?" - "Ja", sag ich, "ist doch kuschelig und warm". Da fragt sie also immer noch nach. Man muss dazusagen, einer ihrer Lieblingswitze - von den dreien, die sie überhaupt erzählt - ist der, wo der Blinde ins Heiratsinstitut geführt wird, und weil er ja nun nicht sehen kann, wie die Passbilder aussehen, ist es ihm erlaubt, die Damen zu betasten. Also, die drei, die er sich nach Vorlesen des Fragebogens halt ausgesucht hat. Er kommt an die letzte und tastet: "Rosi ... Rosi ... Ist das alles noch Rosi?"

Ich kann mich erinnern, dass meine allerersten sexuellen Träume, die ich so hatte - und das war wohlgemerkt noch vor dem ersten Kuss, in der sagen wir mal fünften, sechsten Klasse oder so - die hatten schon mit Fesseln und Einschliessen und solchen Scherzen zu tun. Alles noch sehr bunt und fantasievoll, also, da kamen keine Ketten und Seile und Lederfesseln drin vor, aber die Handlung an sich schon. Klar, das war natürlich äusserst lustvoll. Sonst hätt ich's ja auch kaum behalten, aber ich weiss manche Sachen noch wie heute.

Freundinnen hatte ich ja auch nicht so schnell. Ich bin, was das angeht, ein ziemlicher Spätzünder gewesen. Dass es das erste Mal im Bett so richtig geklappt hat, da war ich dann 22, also ne ganze Weile dahin. Natürlich hab ich's in der Zwischenzeit immer probiert und bin teilweise recht weit gekommen. Aber, mein Gott, da war das normale Küssen und sagen wir mal grade so bis zum Pullover zu tasten schon aufregend genug, da bin ich gar nicht zu anderen Sachen gekommen, also wirklich nicht. Andererseits wusste ich das schon alles. Es war mir völlig klar: das gefällt mir. Aber so genau ausgestaltet hatte ich das so nicht und wusste auch nicht so recht, wie man das nennt. Hab mir bloß dann eben alles geholt, was mich irgendwie ansprang, Bilder vor allem. Ich hab ja gezeichnet wie ein Wilder und hab dann auch Comics gekauft und gesammelt und bin dann ganz schnell an Fetischcomics geraten. Und hatte dann also schon mit 16 eine entsprechende Sammlung Fetischcomics und hab das dann natürlich auch nachgezeichnet und sonstwas alles. Bei mir läuft das dann alles sehr über die Optik: alles, was interessant aussieht, das interessiert mich dann auch eventuell zu machen. Ich gehöre auch zu denen, die aus Neckermann-Katalogen immer die Wäscheseiten nahmen und dann durchgepaust haben. Natürlich hab ich mir selber meine Vorlagen gezeichnet. Ich glaub, ich hab sogar noch ein paar. Es musste also alles interessant aussehen.

Meine Aufklärung verlief ansonsten immer so self-made. Da musste ich mich halt selber drum kümmern. Was im Bücherregal meiner Eltern stand, das war "Josefine Mutzenbacher" und "Die Nichten der Frau Oberst" und "Der Hite-Report", der stand tatsächlich bei meiner Mutter im Regal. Und das hab ich natürlich alles schon gelesen gehabt damals, klar, immer wenn die Eltern weg waren, hatte ich das dann durch und auch teilweise unter der Bettdecke gelesen. Bei der Mutzenbacher haben sie mich dabei dann erwischt und meinten, das wär ja wohl noch nichts für mich. Da muss ich so 14, 15 gewesen sein. Alt genug. Ich kann mich dann an einen sagen wir mal etwas fehlgeleiteten Versuch meines Vaters erinnern, da muss ich so 16 gewesen sein oder 17, wo wir dann während einer langen Autofahrt zu zweit, wo er mir dann so ganz stockend erzählt, dieses und jenes könne man ja machen, und überhaupt, und kann man ja auch selber machen, und wenn das dann soweit kommt, dann gibt's ja schliesslich auch Tempotaschentücher und so. Das war mir alles unheimlich peinlich, weil, meine Güte, soweit war ich längst! Zu der Zeit schrieb ich schon meine eigenen Pornogeschichten! Die dann auch schon jeweils meine speziellen Fantasien hatten, das war also schon eigentlich so im Groben das, was mich auch jetzt noch interessiert.

Dann hab ich mit 15 oder 16 ein wunderbares Buch gekauft, nämlich die "120 Tage von Sodom". Was kein Problem war, ich hab beim Buchhändler gearbeitet und hatte eh eine seltsame Lektüre, mit allem möglichen bunt durcheinander, und das Buch, klar, hab ich dann verschlungen. Das war natürlich erschreckend. Beim ersten Mal hab ich gedacht, mein Gott, das ist fies, das tut man nicht! Meine Güte, ich war überzeugter Kriegsdienstverweigerer! Angehender. Und dann sowas. Und dann stell ich fest, das macht mich auch noch an. Ich hab da also ziemlich genau sortiert, im Geiste, was da die für mich interessanten Stellen waren. Irgendwie fand ich das nicht ganz nett, weil die armen Opfer da, die wollten ja gar nicht getötet werden. Aber das war dann halt nicht meins. Davon gelesen hatte ich dann schon mal.

In Gewissenskonflikte bin ich deswegen nicht geraten, weil ich eigentlich schon seit ich in die Schule kam, Tötungsfantasien hatte. Bevorzugt meine Mitschüler. Du musst bedenken, dass ich bis fast zum Abitur in jeder Klasse immer der Kleinste war, also rate, wer auf dem Schulhof immer untendrunter lag. Und da waren einige ausgesuchte Realsadisten dabei. Und so in gewissem Alter verstehen die es gründlich, andere zu demütigen und fertigzumachen. Da hatte ich natürlich gar keine Chance, ausser ich hab den Mund aufgemacht. Das hat geholfen. Von daher hatte ich also immer sehr gewalttätige Fantasien und hab damit also eher Probleme gehabt. Aber ich hab darin geschwelgt! Das hatte gar nichts mit Sex zu tun, das war sozusagen die pure geistige Selbstverteidigung. Anders hätt ich gewisse Phasen da nicht ausgehalten. Mit meinen sexuellen Phantasien hat das meiner Meinung nach nichts zu tun. Wenn ich gut in Sport gewesen wäre und die anderen hätte verprügeln können, dann hätt ich solche Gewaltphantasien nicht gehabt, fertig, ganz einfach. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Aber meine sexuellen Phantasien, die waren eben immer in anderer Richtung. Die waren aber auch nicht in Richtung Gewalttätigkeit. Bei mir taucht kein Schlagen auf, und Schmerzen hab ich auch erst sehr spät entdeckt. Bei mir gings eigentlich immer ums Fesseln, Festhalten und solche Sachen. Also wie soll man sagen, eher so strukturelle Zwänge. Auch komplizierte Verkleidungen und sowas alles. Und natürlich auch immer wieder Geschlechtertausch. Das hat mich ja schon immer fasziniert. Das wollt ich ja ganz lange: eher ne Frau sein. Aber so groß hab ich da gar nicht drüber nachgedacht. Irgendwann hatte ich dann doch ne entsprechende Bibliothek zu Hause, allerdings bestand die dann eher aus Katalogen diverser Fetischhersteller, paar Comicheften, paar Fotobänden, was es halt so zu der Zeit gab, späte Achtziger. Das wussten dann auch ein paar andere Leute, und die kamen dann zu mir und fragten. Eine Frau zum Beispiel hat sich meine ganzen Fetischkataloge ausgeliehen und hat daraus ein wunderbares Referat gestrickt an ihrer Modehochschule. Nachher erzählte sie ganz begeistert, erstens sei's proppenvoll gewesen, und zweitens hätten nachher alle sie beglückwünscht, und der Prof "Ja meine Güte, Sie wissen aber viel über dieses Thema." Und dann hat sie mir die Hefte auch alle wieder zurückgebracht, ohne Eselsohren.

Und ich war ja ein unheimlicher Pornokonsument. Ich hab ja, seit ich so 16, 17 war, ganz schrecklich viel Geld ausgegeben für Bondagemagazine, diese ganzen hübschen Fotostories, schrecklich, und so ein paar Fetischmagazine. Bis ich dann gemerkt hab, irgendwann wiederholt es sich ja dann doch sehr.

Über politische Korrektheit hab ich dabei nie bewusst nachgedacht. Bei uns an der Schule gab's natürlich auch eine entsprechend große Hippiefraktion und politisch Engagierte. Da kannte ich ein paar davon und kam mit denen auch soweit zurecht, aber soweit, dass ich da hätte mitmachen wollen, war ich nie. Mir hat da alles widerstrebt, was irgendwie eine Gruppe war, was irgendwie organisiert war. Das war damals einfach nicht mein Ding. Ich wusste einfach, egal was ich mache, das will ich alleine machen. Das wusste ich schon ziemlich schnell. Also ich hatte schon relativ früh eine Vorstellung, was und wie ich mal werden wollte - hat bloss eben lange gedauert, bis ich das geworden bin. Eigentlich erst vor ein paar Jahren.

Zwischendrin kam ja eine ganze Menge. Da kamen natürlich mehrere Freundinnen. Bis es dann im Bett klappte und so, bis man da ein bisschen Übung hatte ... Ich hatte ja immer das Gefühl, mir wird da was vorenthalten. Alle Statistiken sagten, dass ein Mann in dem Alter irgendwie schon fünf Frauen pro Jahr hat, oder irgendwelche Zahlen, und ich hab mir immer überlegt: Wer hat denn dann meine genommen? Es klappte einfach nicht. Hunderte von Frauen angesprochen, oder so kommt's mir zumindest vor, aber es klappte einfach nicht. Diverses probiert, und, ach ... aber auch ganz komische. Eine Frau, auch ne nette, große Liebe, aber so ne Fernbeziehung über achthundert Kilometer oder siebenhundert, naja, weit genug jedenfalls, die dann auch, als wir dann letztendlich im Bett landeten, ich weiss nicht was, durch irgendwelche dummen Fragen kam's dann da raus, dass ich dann schon mal, natürlich, Playboy gelesen hatte, und sogar mir welche gekauft hatte. Und das war für sie also unmöglich! und wie konnte ich! und überhaupt! Und Schluss wars und aus wars. Das muss so etwa 1984, so um den Dreh gewesen sein. Ich fand das ziemlich enttäuschend, weil das war doch nichts Schlimmes. Nee, Schuldbewusstsein hatte ich in der Hinsicht eigentlich wenig.

Ich hab dann auch später, also danach dann so mit einigen anderen bekannten Frauen halt diverses ausprobiert, bisschen fesseln und dieses und jenes, probiert, ist nichts Rechtes draus geworden, aber jedenfalls hatten die da kein Problem damit, das mal eben zu probieren. Wenn ich erst mal mit denen soweit in Kontakt war, dass man sich gegenseitig besucht hat und so, dann konnt ich auch so Sachen fragen wie "Würdest du mir Modell stehen?" und solche Scherze, oder "Lass uns doch mal ein paar Fotos machen." [...]

Ja, irgendwann hab ich dann halt die Frau getroffen, mit der ich dann acht Jahre zusammen war, wo's also ganz wunderbar klappte im Bett. Die hat mir überhaupt erst das alles beigebracht: ganz normalen Sex und wie spassig das ist. Und so irgendwann in der Mitte gab's dann da so einen Punkt, wo wir einen Abend mit hochroten Ohren verbrachten, wo sie dann nämlich meinte: "Hm, sag mal, da ist doch noch was. Ich bin sicher, da ist noch irgendwas anderes." Und dann gab es halt diese gegenseitigen Beichten. Da musste ich dann erklären, ja, ok, ich bin halt Fetischist auf dem und dem Gebiet und das und das würd ich halt auch gerne machen. Hab also ganz lange erzählt, bis sie dann irgendwann antwortete und meinte, hm, ja, ich auch. Was natürlich dann ganz toll war, ich traute meinen Ohren nicht. Zwei Tage später kam sie dann an und dann erzählte sie. Und dann war es sehr witzig, da hab ich ein Riesenglück gehabt: es ergänzte sich total. Und dann haben wir das erst mal ausprobiert, aber alles, was da war! Alles, was wir auch nur irgendwie im Kopf hatten, haben wir probiert. Das war ziemlich heftig und hat einen Heidenspass gemacht. Da waren wir schon vier Jahre zusammen gewesen, und danach ging's noch vier Jahre weiter.

Schlagzeilen:

Das kam natürlich auch noch dazu: Da hab ich dann sozusagen den politischen Unterbau gekriegt, überhaupt die Namen gehört und das alles. Hab aber irgendwie immer so gedacht, naja, da gehör ich auch nicht so ganz dazu. Weil mindestens drei Viertel dessen, was da drinsteht, das betrifft mich nicht. Das sind halt anderer Leute Gelüste, aber nicht meine, und da muss ich dann auch nicht mitmachen. Weder hab ich Spass daran, von Kopf bis Fuß in Leder herumzulaufen noch muss ich Peitschen und Handschellen im Gürtel stecken haben und so weiter. Ich steh nicht auf Blinddates in verlassenen Wohnungen und ich hab keinen Bock darauf, irgendeine ältere Dame mit "Ja, Herrin" anzusprechen und was da halt sonst immer für Stories erzählt wurden. Und die Gedichte waren ja sowieso unsäglich. Aber so Basteltips und so da drin, das war dann schon ganz interessant.

Kontaktanzeigen:

Aus dieser Verzweiflung heraus, nach dem Motto, irgendwo muss sich ja jemand meine Frauen geschnappt haben und versteckt halten, die, die eigentlich mir zustehen, hab ich halt alles versucht, und unter anderem auch Kontaktanzeigen. Ich hab also auf welche geantwortet. Das war schon zu Hause in unserer Kleinstadtzeitung so ein bisschen, und in Berlin hab ich dann erst so richtig angefangen und hab halt auf sehr viele Anzeigen geantwortet. Auf wieviele weiss ich nicht, das ging so über ein paar Jahre. Ich hab dreissig oder mehr Frauen getroffen über die Jahre, mit nur wenig mehr telefoniert. Ich hab auf die meisten Briefe Antwort gekriegt, und die meisten, mit denen ich telefoniert hab, mit denen hab ich mich dann auch getroffen. Und davon die meisten waren eben einfach uninteressant. Einfach sozusagen wirklich grauenhaft unpassend. Das waren kleine schüchterne Mädels mit rosa Strickjacke und Perlenkette, die so richtig aussahen wie: o mein Gott, die wird ihr Lebtag hinter einem Schreibtisch in einer Behörde versauern oder sowas. Eine Frau traf ich, die hatte sich gerade einen neuen Job gesucht, eine neue Wohnung, ein neues Auto, überhaupt ein neues Leben und suchte jetzt nur noch einen Mann, der genau in diese kleine Lücke in der Schrankwand passte. Die wusste genau, was sie wollte und hatte auch den entsprechenden Überbiss. Also wirklich ganz schlimme Sachen dabei, aber eben auch tolle Frauen. Mit einer davon hab ich so über anderthalb Jahre Kontakt gehabt, das war eine ganz tolle Frau, wunderschön, groß, interessant, war dann einfach ne gute Freundin, wir haben einiges zusammen gemacht. Mit einer gab's dann immerhin eine nette kleine Dreiwochenaffäre. Das war aber alles nicht SM-bezogen, sondern da hab ich vor allem nach dicken Frauen gesucht. Aber eben auch SM. Hier hab ich nämlich eine, aus der "Harten Welle": "Ich möchte meine passiven Phantasien mal ausprobieren. Nur safe, bin 29, mollig, vollbusig. Träume von Fesseln, Zungengymnastik und und und? Die hab ich dann auch getroffen, das war eine Frau, die so gross war wie ich, aber ungefähr eineinhalbmal so schwer, und die war ein bisschen still, aber so ganz nett, und wir haben uns ganz gut vertragen und haben's dann eben auch probiert im Bett. Das war soweit ganz nett. Wir haben uns dann mehrere Abende getroffen, aber dann auch festgestellt, nee, wir passen nicht so gut zusammen, so vom sonstigen her. Aber sonst war die eigentlich so ganz nett, wir hatten Spaß, aber es war eben nicht weiter ausbaufähig. Funktioniert also. Kann man machen. Ich bin nie an ein Fake geraten, aber andererseits glaub ich, dass mir ein Fake auch nicht geantwortet hätte.

Ein einziges Mal hab ich selbst eine aufgegeben. Da hat sich dann eine Frau gemeldet, die ganz nett war, grade frisch mit ihrem Kind vom Mann sitzengelassen, da bin ich dann auch nicht näher drauf eingegangen. In der Anzeige stand drin, dass ich eben auf dicke Frauen abzielte, das war also nur die "normale" Perversion. Aber das ist offenbar schon pervers genug für viele. Der Schlankheitswahn ist einfach übermäßig. Ich krieg's überall mit, wenn ich mich unterhalte, auch wenn ich mit Kolleginnen rede und so, wenn ich dann sehe, die tun sich ein garantiert nährstoffreies Stück Sägemehlpresspappe auf den Teller, pressen dort ganz dünn sowas Weissliches in die Poren und legen dann ein knackiges, aber auch garantiert kalorienfreies Salatblatt darauf. Und das ist ihr Mittagessen. Ich kucke sie dann immer ganz vorwurfsvoll an und sage "Davon willst du jetzt leben?" - "Ichwerdzudick ichwerdzudick ichwerdzudick!" Meine Güte, die klappern beim Gehen! Und wenn man dann auch nur erwähnt: Also, ich hab's viel lieber, wenn zum Beispiel da so eine kleine Speckfalte ist - die kucken einen unglaublich entsetzt an. Wenn ich dagegen sage: Ach ja, ich war gestern bei einer Frau, die hatte Handschellen am Bett hängen, meinen sie "Ahja, das hab ich schon mal gesehen, das gab's doch da und da zu kaufen". Das wissen sie dann alle, das ist dann normal. Wirklich seltsam. Das ist irgendwie ganz praktisch: ich kann je nach Situation die perversere Perversion bekennen, oder eben die in den Kreisen nicht so perverse Perversion, und das ist dann ganz lustig.

Warum mir dicke Frauen besser gefallen? Es fühlt sich gut an, es fühlt sich wirklich sehr gut an. Aber es ist ja nicht so, dass ich nur dicke Frauen mag. Ich mag eben vieles. Du hast ja vorhin gefragt, was denn das Tolle an SM ist. Das ist dann eben die Abwechslung. Aber ich mag genauso noch das schüchterne Rumknutschen beim allerersten Treffen und so. Das ist nicht so, dass ich daran keinen Spaß mehr hätte. Ich mag's halt einfach, wenn ich ganz viel Abwechslung hab, wenn ich unheimlich viel machen kann. Eigentlich muss da gar nicht SM draufstehen und das muss eigentlich vorher gar nicht verabredet werden, weil, wenn's in der richtigen Stimmung stattfindet, kann man einfach alles machen. Und das macht Spass. Da brauch ich keinen Namen für, da brauch ich kein Gütesiegel für.

Ob die Subkultur wichtig für mich ist, weiss ich nicht so genau. Ich habe jetzt einen lustigen perversen Bekanntenkreis, aber ich hatte damals auch einen lustigen und interessanten Bekanntenkreis. Nur dass sich die Besonderheit da eben nicht auf die Sexualgewohnheiten beschränkte, sondern da ging's halt um andere Sachen: das waren alles Filmemacher und Comiczeichner und sonstwie interessante Leute. Und eigentlich ist es das: Ich möchte immer interessante Leute kennen, aber ich möchte nicht in der Inzucht versinken. Das ist mir dann nämlich irgendwann auch auf den Geist gegangen, nur noch mit Leuten zusammenzuhängen, die nur noch über Filme reden und in Filmzitaten, aber sonst kein Leben haben, das hat mich so angeödet. Und das ist etwas, das hab ich jetzt in den letzten anderthalb Jahren mit den Perversen genauso gemerkt, das nervt irgendwann. Und wenn dann so Einwände kommen wie "Bei euren Treffen wird ja gar nicht über SM geredet, oder jedenfalls nicht genug", dann sag ich: "Ja dankeschön, das will ich auch so." Ich will dann über SM reden, wenns mir Spaß macht, aber da nicht so nen Zwang draus machen. Ich will auch keinen Bekenntniszwang, das nervt mich auch, dass manche hinkommen und sich dann gleich wie in der Gesprächsgruppe vorstellen: "ich bin dies und das und devot" Dankeschön, das wollten wir gar nicht hören. Und genauso stört mich so ein bisschen dieser Vorführzwang auf Feten. Ich hab manchmal das Gefühl, du gehörst nicht so richtig dazu, wenn du dich nicht doch in Verkleidung und mit allem Drum und Dran auf der Fete gezeigt hast, auf irgendeiner Fete. Das nervt mich dann auch. Ich will gar nicht öffentlich spielen! Ich hab ja auch nicht öffentlich Sex ... normalerweise jedenfalls nicht. Ich geh schon hin, aber dann wirklich zum Kucken, zum Komplimente verteilen und selber welche kriegen, zum Aufgeregtwerden, zum möglichst irgendwas anbahnen, aber da spielen kann ich nur, wenn möglichst niemand zukuckt. In, wie soll man sagen, in bekannter Kleingruppe. Das geht dann schon.

Mit Fetischen fing alles an, so mit fünfzehn, da war das schon klar. Da hab ich mir dann auch die ersten Sachen selber gebastelt. Ein Fetisch hat ja einen Vorteil: das kannst du auch alleine machen und kannst ne Menge Spaß daran haben. Das ist mit SM-Praktiken ein bisschen schwieriger, da hört's irgendwann auf. Aber ein Fetisch, klar, man kann dann zu Hause in hochhackigen Stiefeln rummarschieren und sich daran erfreuen und sich sonstwas dabei einbilden und hat eine Menge Spaß dabei, klar. Zum einen ist es natürlich wirklich einfach der Materialreiz. Wenn du so ein Materialfetischist bist, und das bin ich ja meistens, ist es wirklich dieses "andere Gefühl". Du könntest genausogut dich von jemand anderem streicheln lassen oder meinetwegen, wie sie das jetzt überall ausprobieren, Kühen eine Abbürstmaschine hinstellen - hat sich ja gezeigt, das machen die den ganzen Tag und sind absolut happy. Sich selber ein paar Hautreize zu verschaffen ist schon ein ganz großer Faktor. Aber ich glaube, das haben Leute auch, wenn sie einfach nur nach dem Bad mit Genuss in frische Wäsche schlüpfen. Es ist keine völlig andere Kategorie, nur ein quantitativer Unterschied: es fühlt sich so angenehm an, dass du dadurch sogar erregt wirst. Und dann ist der zweite Punkt natürlich der der Verkleidung. Du ziehst etwas an, und das steht dann für eine ganze Rolle. Es ist ja nicht so, dass du das nur anziehst und dann Leere im Hirn hast, sondern du denkst dir eine ganze Geschichte dazu aus oder eine Situation, oder was auch immer. Die holt man sich aus allem, was man gelesen hat, oder man denkt sich selbst was aus, oder hat selbst was geschrieben, man hat jedenfalls seine Lieblingsfantasien und seine Rollen, in die man schlüpft.

Ein Punkt war der, dass ich mir immer gewünscht habe, eine Frau zu sein. Und weibliche Accessoires, das ist ja geradezu primitiv. Ich hab mir relativ früh mein erstes Paar hochhackige Stiefel gekauft, die hab ich immer noch, passen mir auch noch. Auch Korsetts und solche Scherze, obwohl das dann erst später kam. Eine ganze Menge ist erst später gekommen, das hat sich dann entwickelt. Es gab so einen Grundstock, und so in den letzten fünf Jahren hat sich das dann kräftig ausgeweitet - ein breit gefächertes Interessengebiet. Wenn man seine Fetische pflegt, können sie wachsen und gedeihen, aber sie müssen nicht. Es gibt ja auch Leute, die da bis ins hohe Alter absolut eindimensional bleiben: da muss es das eine Ding sein und sonst nichts. Das kann durch puren Zufall sein, man entdeckt irgendwas oder hat Gelegenheit, was auszuprobieren. Oder es ist so, man denkt sich halt eine neue Geschichte aus und die wächst dann und wird eine eigenständige Phantasie. Zum Beispiel fand ich das immer sehr lustig, als ich mir meine eigenen kleinen Pornogeschichten geschrieben habe, hab ich dann einfach mal ganz praktisch experimentiert und hab die gleiche Geschichte in der dritten Person und in der ersten Person geschrieben, um zu sehen, wie die Wirkung ist. Dabei hab ich festgestellt, dass ich beide Rollen mag.

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001