Die Wahl der Qual

 

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Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Aus dem Nähkästchen

Marits Bericht

 

Mein Interesse für SM begann so etwa im Mai letzten Jahres, abgesehen von etlichen "aufklärerischen" Reportagen, die ich früher immer mit hochroten Ohren angeschaut habe. Allerdings wurde dort reißerisch und sensationsheischend eine Szene dargestellt, die ich bislang in keinster Weise so erlebt habe. Jemand, den ich über das Internet kennengelernt hatte, versuchte einige Male, mich zu animieren, mit zu einem offenen Treffen zu kommen, und so verschaffte ich mir erstmal ein paar Basisinformationen im Netz über SM, weil mein erster Gedanke in Hinsicht auf das Treffen war: "ja okay - ich habe nur Angst, daß ich dazu gar nichts sagen kann". Die Informationen stammten von all den Seiten im Internet, die ohne große Sucherei über die gängigsten Suchmaschinen zu finden sind, wenn man Stichworte wie "SM", "BDSM" etc. eingibt. Woran ich mich noch genau erinnere, ist, daß ich ewig gebraucht habe, um herauszufinden, wofür das "D" in BDSM steht. ;)

Das war dann schon ein bißchen komisch. Sich vorher nur vage theoretisch mit SM auseinanderzusetzen, noch keinerlei Erfahrungen und Vorstellungen zu haben und dann zu diesem Treffen zu kommen, wo alle nur dasaßen und frühstückten, sich aber niemand über SM unterhielt - das war schon eigenartig. Zwar deklarierte ich SM-ler damals nicht als "Perverse", wie mein Begleiter, jedoch war ich schon ein wenig enttäuscht, dann so gar nichts Perverses vorzufinden.

Als mein Interesse für SM begann, empfand ich es wohl als sehr problemlos und selbstverständlich. Zurückführen möchte ich das auf die besonders liberale und offene Erziehung meiner Eltern. Vor meinen Eltern, meinen Geschwistern und meinen Freunden habe ich mich auch geoutet, und zwar weil ich mein neues Erleben mit ihnen teilen wollte, meine Veränderung mitteilen wollte. Teilweise auch, weil ich mir keine Lügen über Aufenthaltsorte (Sonntagnachmittags zum Treffen, wenn die besorgte Mami anrief und wissen wollte, was ich mache) und hohe Ausgaben für Lackklamotten (und natürlich auch, damit ich die Klamotten zeigen konnte) ausdenken müssen wollte. Vor meinen Omis habe ich mich nicht geoutet. Ich denke, ihr Weltbild ist zu festgefahren, als daß sie sich an solche Dinge heranwagen wollen würden.

Meine Eltern haben das beide ganz positiv aufgenommen und haben interessiert Fragen gestellt. Mein Vater meinte gleich, ich solle mich niemals in kompromittierenden Situationen ablichten lassen, weil das womöglich meiner späteren Karriere (ich studiere Jura) abträglich sein könnte. Mittlerweile sind sie deutlich interessierter und haben mir gegenüber auch schon die ein oder andere "Session" gestanden, natürlich nie unter dem Aspekt, primär in irgendeiner Form BDSM zu praktizieren. Neulich hätte ich sie fast dazu überredet, mal mit zu einem Treffen zu kommen, es scheiterte letztlich aber an Organisatorischem. Aber sie sind schon mal nicht gänzlich abgeneigt. Meine Freunde haben auch alle ganz locker reagiert. Von einigen bekam ich sogar zu hören: "Das hätte ich mir von dir ja denken können" oder "Das habe ich mir bei Dir eh schon immer gedacht" jedoch generell positiv gemeint, nicht abwertend, lästernd wie mir diese Worte vorkamen, als ich sie eben nochmal durchlas. Meine Geschwister waren nach Beantwortung der Standardfragen auch zufriedengestellt. Und mein 14jähriger Bruder hat mir zu Weihnachten etwas ganz Köstliches geschenkt. Im Vorfeld wußte jeder in meiner Familie über dieses Geschenk Bescheid. Alle kicherten hinter vorgehaltener Hand und priesen mir gegenüber immer nur die Pfiffigkeit dieses Geschenkes, und daß es ganz prima zu mir passen würde. Ich bekam dann von ihm eine Kondom-Schatulle aus Keramik, die einem Bett nachgebildet war, auf dem ein in Ketten gefesselter, kaum bekleideter, blondlockiger, ekstatisch blickender Jüngling lag. :) Gegen meinen Willen geoutet wurde ich noch nie - es wissen ja fast alle Bescheid. Dieser Mut zum Outing vor allen meinen Angehörigen und Freunden wurde mir von einigen hoch angerechnet und teilweise auch geneidet. Ich denke da besonders an schwule Freunde, die sich selbst als weniger outingfähig mit daraus folgender Akzeptanz einschätzen.

Bei meinem ersten Partybesuch waren wir im damaligen Kitkat-Club. Recht angewidert von den billig-pornographischen Malereien an der Wand, jedoch ganz positiv ueberrascht von der dort dargebotenen Show (sehr schöne Dame im Rokoko-Kleid las de Sade, wurde überall, nachdem sie sich entkleiden ließ, mit Wachs begossen, während ein kleiner, untersetzter, schmächtiger Typ im Hintergrund mit komischer Maske, sich am Geschehen erfreuend, einen wichste) verzogen wir uns bald in eine der finsteren "Schmuddelecken". Dort gesellte sich jedoch alsbald ein Ledertyp zu uns, was damals noch sehr ungewohnt für mich war, der sich an uns erfreuen wollte und auch erst nach einer guten halben Stunde wieder verschwand. Ich fand den Abend ganz nett, ausbaufähig, aber etwas gewöhnungsbedürftig. An Partys gefällt mir, das Outfit tragen zu koennen und sich mit Leuten zu treffen, die man kennt. Probleme habe ich, wenn nicht genügend abgetrennte, blickdichte Räumlichkeiten vorhanden sind. Noch bin ich nämlich nicht besonders exhibitionistisch veranlagt. Und ich kann zwar vieles hören - möchte aber nicht alles sehen. Ausgesprochen gut finde ich, daß Spielgeräte zur Verfügung stehen, die man zu Hause nicht hat - man müsste sie nur noch ungestört benutzen können.

Ursprünglich habe ich mich als devot eingestuft. Ich erkenne aber in letzter Zeit häufiger, daß ich doch dem switchenden Lager zuzuordnen bin. Nur sind bislang meine dominanten Erfahrungen nicht auf besondere Gegenliebe gestoßen, da ich zu eifrig und forsch vorgegangen bin und Stefan leider auch nur zu einem sehr geringen Teil devot veranlagt ist. Dieses Switch-sein macht mir dennoch einige Probleme, da ich zumindest meine dominante Seite nie richtig ausleben kann. Andererseits kostet es mich keine übermäßige Überwindung, das zurückzuhalten, bemüht sich doch Stefan sichtlich darum, meinen Neigungen etwas gerecht zu werden. Ansonsten ist Vanilla und SM für mich aber ziemlich gleichberechtigt. Ich will weder ohne das eine, noch das andere leben.

Ich denke, daß eine SM-Beziehung in weitaus höherem Maße auf Vertrauen, aber auch Kontrolle basiert als eine Vanilla-Beziehung. Auch glaube ich daran, daß SM-Beziehungen die intensiveren und längeren sind, da man, um glücklich zu sein, viel mehr reden muß und es auch tut als in einer Vanilla-Beziehung. Generell finde ich die SM-Beziehung auch offener und natürlich befreiender. :)

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001