Die Wahl der Qual

 

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Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Aus dem Nähkästchen

Interview mit Laura

 

Ich bin also etwas über Mitte 20 durch eine Beziehung an die Thematik gebracht worden, sprich, ich bin mit einem Partner zusammengewesen, der halt vorher schon über Jahre hinweg SM praktiziert hat. Im Laufe der Beziehung hab ich dann halt auch die diversesten Praktiken kennengelernt, hab sie für mich selber entdeckt. Vieles war mir damals noch völlig fremd, aber an einigem hab ich halt direkt Gefallen gefunden. Und der hat mich dann halt auch mit einer professionellen Domina aus seinem Bekanntenkreis zusammengebracht, in deren Studio hab ich dann sozusagen eine Lehrzeit absolviert und die Frau hat mir meine wesentlichsten Prägungen, meine ersten, mitgegeben. Sprich sie hat es geschafft, bei mir auch den Spaß an der Dominanz und den Spaß auch an einzelnen Praktiken, also, das erste war Flagellation, nahezubringen, indem sie mich dann halt wirklich gedrillt und trainiert hat bis zum Abwinken. Und mir halt auch den Hintergrund und alles Mögliche, was in den Bereich reinfällt, Psychologisches, Physisches, nahegebracht hat.

Ich bin nach meinem ersten Kontakt mit dem professionellen Bereich auf der Top-Seite gewesen, also bin von vornherein quasi zur Domina ausgebildet worden, hab aber im Privatbereich, wie es eigentlich üblich ist: jemand, der keine Ahnung hat, der fängt in der passiven Rolle an, der macht seine Erfahrungen erst mal am eigenen Körper.

Ich denke mal, für Frauen ist es wesentlich schwerer a) allein den Wunsch nach Dominanz in sich zu finden und wenn sie ihn dann finden, ihn b) zu entwickeln und zu kultivieren und auszuleben. Ich denke mal, das hat gesellschaftliche Hintergründe, weil halt immer noch ein bißchen die Frau als die Schwache, Duldsame dasteht und der Mann halt als der Autoritäre, Dominante, der den Ton angibt, der sagt, wo's langgeht, also, daß da halt noch ein bißchen die klassische Rollenverteilung mit reinkommt.

Mein Freund hat halt beim Ausleben seiner Veranlagung auch - in Studios gehen, auch nach Feierabend, oft wilde Parties ab, und die meisten, die ich aus dem professionellen Bereich kennengelernt habe, bei denen ist zumindest ein Teil der Freizeit, wie groß er jetzt auch sein mag, vom Job mitgeprägt und wird auch da noch ausgelebt. Und wie gesagt, also wenn nichts mehr zu tun ist, dann kann man halt das machen, worauf man Lust hat und er ist halt im Zuge solcher privaten Spiele in die Dominastudios gegangen, kannte mehrere Damen aus dem Bereich.

Man kann das vergleichen mit dieser klassischen Ausbildungsgeschichte: Du wirst jetzt irgendwo abgegeben, du machst jetzt was ganz anderes als du bislang gemacht hast, du wirst jetzt komplett in die Richtung gedreht und geformt, weil ich das so möchte und denke, daß das gut für dich ist. Ja, und ich war damals einfach viel zu perplex und viel zu überrollt und viel zu baff, um dem viel entgegenzusetzen, weil da die Machtstrukturen anfangs halt auch ziemlich klar zu seinen Gunsten definiert waren. Ich hab dem einfach nichts entgegenzusetzen gehabt, hab dann aber auch sehr schnell Spaß an der Materie gefunden und hab gelernt, es für meine Persönlichkeit als Ventil ... also, viele Sachen, mit denen ich früher bei mir nicht klargekommen bin, eine gewisse destruktive Tendenz, die sich halt bei mir meist gegen mich selber gerichtet hat, nie gegen andere, die hab ich mir im Laufe der Jahre so gut wie völlig abgewöhnen können dadurch, daß ich Gewaltpotentiale, aggressive wie defensive, da kontrolliert rauslasse und bewußt rauslasse. Dann überfällts einen nicht auf einmal hinterrücks. Mir war allerdings vorher gar nicht bewußt gewesen, daß das überhaupt was ist, was jetzt ein ausgeglichener, "normalerer" Mensch vielleicht nicht hat, also Gewalt war immer schon eine starke Komponente in meinem Leben, ich weiß nicht warum. Das ging bei mir aber erst mit Anfang zwanzig los, daß ich, ja, fast schicksalsmäßig mit Gewalt immer wieder konfrontiert worden bin. Von meiner Familie her gar nicht, im Gegenteil, ich hab eine superbehütete tolle Kindheit gehabt, bin verhätschelt und verpäppelt worden bis wirklich zum Abwinken, daß ich mich dann halt auch abgegrenzt hab und gesagt hab, nee, also, danke, zuviel Liebe, zuviel Fürsorge, und vielleicht auch gerade deswegen das andere Extrem gesucht hab.

Das war das klassische "Wir erziehen uns eine Domina", weil natürlich kam dann von meinem Freund auch nach nicht allzulanger Zeit der Wunsch, daß ich ihn toppen sollte, daß er halt den passiven, devoten Part einnehmen wollte, und ich muß sagen, die ersten paar Male war ich völlig überfordert, ein Nervenbündel, klar. Was soll ich tun, was mach ich jetzt? Weil das Bedürfnis bei mir eigentlich noch gar nicht da war. Wir waren ein Jahr zusammen, bevor ich angefangen habe, in dem Studio zu hospitieren, und in dieser Zeit trat er halt an mich heran mit dem Wunsch, das Ganze doch mal umzudrehen, und ich war gnadenlos überfordert, weil das halt auch nicht meinem Bedürfnis entsprang, sondern seinem. Wenn man selber was tun möchte, wenn es einem ein Bedürfnis ist, gewisse Phantasien auszuleben, dann sind aber auch halt diese Phantasien da, dann geht man mit einem Szenario, einer Idee, einer Vorstellung an das Ganze ran. Aber wenn man einfach nur gesagt bekommt, so, wir drehen die Rollen jetzt um, dann steht man da wie der Ochs vorm Berg. Man hat von den Techniken keine Ahnung, man hat von den Wünschen des anderen, von den eigenen Wünschen auch nicht den Schimmer einer Ahnung ...

Naja, und er hat sich dann wahrscheinlich irgendwann gedacht, daß ich ihm mit professionellem Rüstzeug da halt besser ... "dienen" könnte. Nur bin ich halt dann im Zuge meiner dominanten Entwicklung dann auch aus den Machtstrukturen der Beziehung rausgewachsen. Es ist eigentlich unvermeidlich, daß man an Selbstbewußtsein, an Stärke, an Auftreten, am Glauben an sich selber dazugewinnt, wenn man sowas macht, weil ohne das gehts nicht, gehts absolut nicht. Und da funktionierten dann halt gewisse zwischenmenschliche Dinge einfach nicht mehr, weil ich dann halt nicht mehr bereit war, immer zurückzustecken oder zu allem ja und amen zu sagen, dann hatte ich auf einmal eine eigene Meinung und dann krachte das Ding nach dreieinhalb Jahren gnadenlos auseinander. War ich aber auch ganz glücklich mit.

Man kann den Aktiven oder Dominanten oder Top genauso über Grenzen treiben, die ihm selber nicht klar sind, wie den Passiven. Sprich, jemand mit einer sehr großen passiven Erfahrung, der zusammen mit jemandem spielt, der im aktiven oder dominanten Bereich so gut wie keine Erfahrung hat, kann den problemlos dazu bringen, Praktiken durchzuführen, denen er eigentlich noch gar nicht gewachsen ist, die gar nicht in der Persönlichkeit drin sind. Also, ein Beispiel: Mir ist das recht früh passiert, daß mich ein Sklave immer weiter angetrieben hat, ihn zu schlagen. Also keine Schmerzensbekundungen oder sonstwas, kein "Gnade", kein garnichts, im Gegenteil, halt nur die Aufforderung, härter, härter, härter, härter. Und irgendwann bin ich dann so in eine Schiene geraten, in der Situation, aus der ich mich selber auch gar nicht mehr befreien konnte, weil mir auch gar nicht klar war, wie ich da reingekommen bin. Das Ende vom Lied war, daß er völlig blutig war, weil ich da eine Stunde lang freudig mit dem Rohrstock draufhauen durfte. Naja, und für mich war das zuviel, ich hab dann abends stundenlang zu Hause gesessen, hab geheult wie ein Schloßhund und hab nur gedacht: "Wie kannst du sowas mit jemandem machen? Wie kannst du einem anderen Menschen das antun?" Es war mir nicht im geringsten ein Bedürfnis, das zu tun, und von daher würde ich jedem raten: Nichts tun, was man nicht tun will, und wenn sich keine Dominanz entwickelt, wenn man keine dominanten Bedürfnisse hat, dann hat man sie eben nicht.

Ich kenn bei Frauen eigentlich zwei grobe Grundrichtungen: zum einen die Frauen, die hergehen und sagen: Ich habe dominante Phantasien, ich will die ausleben und ich muß das jetzt irgendwie bewerkstelligt bekommen. Und zum anderen die Frauen, die halt sagen: okay, ich hab da irgendwann dem Partner zuliebe mit angefangen, wußte am Anfang nicht, was ich tun soll, was ich eigentlich tun will, und irgendwann hat es dann angefangen, mir Spaß zu machen. Da gabs dann halt so ein Feedback. Da gibts dann auf einmal so einen Funken und man denkt, hey, ist ja eigentlich ganz toll, was ich hier mach. Das war bei mir halt auch so, das kam so ungefähr ein halbes Jahr später erst. Das war halt diese erste Dame, von der ich gelernt habe in Düsseldorf, die hatte das Studio damals schon achtzehn Jahre, eine fantastische Frau, und die hat mich halt auf Flagellation gebracht. Flagellation war meine erste Neigung, ist immer noch mit eine meiner stärksten Neigungen, und sie hat halt bei mir den Funken entzündet und hat sich halt nicht nur darauf beschränkt, mir zu sagen, ok, du musst so und so schlagen, die hat gesagt: Du bist diejenige, die die Situation vorantreibt, die es spannend macht, die an einem großen Rad dreht. Sie hat mich auch gelehrt, beim Schlagen zum Beispiel auf gewisse innere Dinge zu achten. Das ist so ein bißchen vergleichbar ... das findet man eigentlich bei allen Sachen, für die man Konzentration braucht: Kampfsport oder Zen, daß das Körperliche total perfekt ausgeführt wird, so perfekt wie möglich, mit soviel Schulung wie möglich, und wenn diese Abläufe einem in Fleisch und Blut übergegangen sind, daß sich dann was vom Körper auf den Geist überträgt, daß man dann auch geistig in einen eigenen Schwungkreis reinkommt, auf dem man sich auch immer höher schwingen kann und der einem letztendlich dann den Kick im Kopf gibt, der eventuell sich wieder auf den Körper zurückschlägt. Sie hat mir die Bedürfnisse der passiven Seite erklärt, hat mir gesagt, worauf ich bei mir selber achten soll, was ich nicht tun soll. Wie gesagt, tu nichts, was du nichts tun willst, ist so ein Satz gewesen. Ein anderer: In dem Moment, wo du jemanden dominierst, darfst du nur einen Gedanken haben, und der ist: Was ich tue, ist richtig! Auch wenn mans für sich selber hinterfragt und da vielleicht gar nicht so von überzeugt ist, die Ausstrahlung muß da sein und die bekommt man halt nur, wenn man nach außen hin eine gewisse Sicherheit, eine gewisse Ruhe auch zur Schau stellt.

Aber das ist auch eine Gimpelfalle: Man tut von morgens bis abends nichts anderes als mit herrischem Tonfall Anweisungen erteilen, und es funktioniert. Es funktioniert glänzend. Jeder gehorcht, alles läuft genauso, wie man das haben will - im günstigsten Fall, Ausnahmen bestätigen die Regel - und es ist natürlich von da aus nicht weit zu dem Punkt, wo man die Studiopersönlichkeit einfach in den normalen Alltag mit rübernimmt, weil es ja so hervorragend funktioniert. Und es funktioniert auch im Alltag anfangs hervorragend, weil die meisten Leute halt einem sehr dominanten Auftritt nicht viel entgegensetzen. Aber entweder es fällt einem irgendwann auf, wenn die Leute zu einem sagen: "Hey, tut mir leid, ich komm mit deinem Ton nicht mehr klar. Kannst du nicht normal mit mir reden?" Entweder man merkt an diesem Punkt, hey, Moment, hier läuft irgendwas schief und ich entwickle mich da immer stärker in eine Richtung, die nicht meine einzige sein soll. Wenn kein Gleichgewicht besteht, wenn keine Balance da ist, kann das eigentlich nicht gutgehen auf Dauer. Das Krasseste, was am Ende dabei herauskommt, ist das Gefühl, alles kontrollieren zu müssen - wer denn, wenn nicht ich? Und das ist natürlich nicht gerade dazu angetan, daß man sich mal entspannt, weil man ja immer diese Persönlichkeit vor sich hertragen muß, und wenn die Risse bekommt, was passiert dann? Wird man dann noch ernstgenommen, wenn man das nicht ständig raushängen läßt? Entweder man akzeptiert die Dominanz als einen Teil - aber auch nicht mehr als das - der Persönlichkeit, und versucht ein Gegengewicht zu setzen, oder man entwickelt sich in die Richtung, daß man denkt, man ist der Nabel der Welt, weil einem keiner widerspricht. Wenn die dominante Persönlichkeit, die Kunstpersönlichkeit immer weiter entwickelt wird und immer weiter verfeinert wird, bleiben andere Persönlichkeitsanteile auf der Strecke.

Vorher hatte ich im Einzelhandel gearbeitet, ganz bieder, war da eigentlich auch ganz glücklich, weil auch da konnte ich meine Führungspersönlichkeit irgendwie an den Mann bringen, also auch da standen die Mitarbeiter stramm. Eine gewisse Tendenz in die Richtung war immer schon vorhanden, egal wie ich sie ausgelebt hab, ausleben tu ich sie immer, tu ich auch heute noch, tu ich auch gerne, aber ich mach's halt bewußt. Das war halt furchtbar aufregend, furchtbar spannend, weil das ist eine Welt, zu der die meisten Leute keinen Zutritt haben, sei es nun privat oder professionell, das ist wie ein Märchen oder wie Fantasy, das ist so fernab vom Normalen ... ich konnte mich diesem Zauber nicht entziehen und bin auch froh, daß ich das nicht konnte.

Meinen Eltern hab ichs mal gesagt, die konnten da leider nicht mit umgehen. Deswegen sag ichs ihnen dann heute einfach nicht mehr, aber sie fragen auch nicht mehr. Aber ansonsten hab ich bislang jedem, der mich nach meinem Beruf gefragt hat, gesagt, ich bin Domina, und ich muß sagen, ich hab keine einzige negative Reaktion gehabt, nicht eine. Im Gegenteil, immer nur Neugier und "oh, erzähl doch mal, ist das spannend". Naja, und ich erzähl auch gern, ich reflektier auch gern ... ich muß auch reflektieren über das, was ich tu, und das hat dann halt dazu geführt, daß man im Freundeskreis zu mir sagte, sag mal, kannst du eigentlich irgendwann mal von was anderem reden als von deiner Arbeit? Ich konnte nicht, ich wollte auch nicht, da hab ich mir dann halt andere Kreise gesucht, in denen ich auch noch nach der Arbeit über die Materie reden kann und mich damit beschäftigen kann. Es nimmt halt einen tierisch großen Raum ein, aber läßt noch Platz für Individuelles. Ich glaube, daß ich ohne diese dominante Entwicklung meine Persönlichkeit nicht annähernd so hätte entfalten können, wie ichs getan habe, also so vertieft und so in die Extreme und so an sämtliche Grenzen, einmal rundherum. Was ist noch da und muß ans Licht gezerrt werden? Ich glaub, das hätt ich ohne diese Brücke nicht geschafft.

Ich bin dann dabeigeblieben, weil es halt in mir auch Bedürfnisse befriedigt hat, über die ich mir vorher nicht im klaren war, wie gesagt, gewisse Gewaltpotentiale, die da sind, die man irgendwie aufarbeiten, rauslassen muß, ob jetzt bewußt oder unbewußt, die konnte ich halt schön kontrolliert abbauen, die entluden sich nicht mehr in irgendwelchen Szenen. Ich bin ausgeglichener geworden, ich bin viel ruhiger geworden dadurch. Ich denke mal, ich bin jemand, der sich sehr gut unter Kontrolle hat, also ich denke, es ist fast unmöglich, mich zu provozieren, wenn ich nicht provoziert werden möchte. Das ist immer eine Frage des Handlungsspielraums: Laß ich mich von jemand anderem über eine Grenze treiben oder geh ich, wenn ich über eine Grenze gehen will, selber bewußt über diese Grenze? Jetzt vom reinen Spiel mit Schmerz abgesehen erfordert die Dominanz auch ein gewisses Talent, eine gewisse Fähigkeit zur Manipulation. Das führt natürlich auch wiederum dazu, daß man das bei anderen sehr schnell erkennt, weil einem halt die Abläufe, die Strukturen, die Funktionsweisen bekannt sind, und in dem Moment, wo ich das erkenne, kanns mich dann schon nicht mehr aufregen. Also wenn ich sehe, jemand legts bewußt drauf an, werd ich immer gelassener. Ich werd auch ganz selten laut. Ich bin einfach zu weit auch an meine Grenzen gegangen. Ich bin zu oft an den Punkt gegangen, wo man ganz stark den Wunsch verspürt, einfach nur sämtliche Kontrollmechanismen fallenzulassen, nur noch Instinkt rauszulassen, nur noch - ich sag jetzt einfach mal: härter, schneller, brutaler, endgültiger jemand anderem wehzutun. Ich merk den Punkt bei mir sehr deutlich, wo ich anfange, die Kontrolle zu verlieren. Ich hab den Punkt aber auch immer bewußt gesucht, das ist für mich der Reiz: an diesen Punkt zu gehen, bis kurz vor diesen Punkt zu gehen, wo ich merke, gleich ist es soweit, ich verlier meine Beherrschung, ich weiß nicht, was ich dann tu. Ich hab zweimal in meinem Leben die Beherrschung verloren, ich möchts nicht wieder tun. Wenn ich merke, ich nähere mich diesem Punkt, dann geh ich bewußt weg, entspann mich, atme, geb mir ein paar Sekunden Ruhe und geh dann wieder her und konzentrier mich rein auf die Technik bis ich wieder an diesen Punkt komm, wo sich der Kopf ausschaltet und nur noch der Körper agiert. Das bringt mich dann auf meinen eigenen Film. Je näher man an seine Grenzen geht und je näher man an den Punkt des Kontrollverlustes rankommt, desto mehr wird das vertrautes Terrain. Indem ich mich meinen Abgründen nähere, verringere ich die Gefahr, daß meine Abgründe sich mir nähern. Die Wahrscheinlichkeit, im Affekt, ohne es eigentlich zu wollen, zu handeln, die verringert sich, und was bleibt, ist halt diese Ruhe, dies Nicht-provozieren-lassen, dies Auf-gar-keinen-Fall-ausflippen, weil an den Punkt hat man sich selber schon viel zu oft gebracht und ist von da zurückgekommen, als daß man das jemand anderem gestatten würde.

Ich hab mir nach dieser ersten SM-Beziehung jahrelang nur normale Beziehungspartner gesucht und hatte privat nur Blümchensex, hab das Ausleben meiner Neigungen halt ausschließlich aufs Studio konzentriert, da waren in sechs Jahren drei, vier, fünf One-Night-Stands mit Zufallsbekanntschaften, wo dann auf einmal dieses Element ganz heftig durchschlug und es eine Nacht tierisch abging, aber dann war auch wieder gut. In festen Beziehungen hab ich mich dann aufs ganz Normale beschränkt. Es ist halt auch nicht so leicht, einen Partner zu finden. Damals bei meinem ersten Partner war ich ein bißchen fehlgeleitet: hab jemand Dominanten gesucht, hab wen Brutalen bekommen. Wär mir auch nicht passiert, wenn ich damals schon andere Leute gehabt hätte, mit denen ich drüber hätte reden können, wenn ich halt die Unterscheidung hätte vornehmen können, okay, das ist jemand, der ist dominant, aber der ist es in den gemeinsam festgelegten Grenzen und nicht, der ist dominant ohne Kontrolle, einfach nur aus Sadismus oder aus einer Unfähigkeit zu anderen Gefühlen als negativen. Erst als ich angefangen hab, mich in den Kreisen zu bewegen, in denen man halt offen mit seiner Veranlagung umgeht, in denen man drüber spricht, in denen man auch drüber spricht, was bei anderen Paaren abgeht und wie andere damit umgehen ... Ich kannte zum Beispiel sowas wie ein Safeword oder den Begriff "nonkonsensuell", das kannte ich in meiner ersten Beziehung noch gar nicht, und dann gerät man natürlich schnell in Gefahr, das was da abläuft mit dem, was man eigentlich möchte, zu verwechseln, man kennts ja nicht anders. Ich bin auf die Art und Weise sehr heftig und sehr schnell an gewisse Grenzen gebracht worden, die sind mir auch erhalten geblieben. Es gibt Dinge, die tu ich nicht mehr, die mag ich auch nicht mehr tun, daran ist mir persönlich der Spaß vergangen. Deswegen leg ich aber halt auch Wert darauf, anderen, neueren Leuten, die sich vertrauensvoll an mich wenden, diesen Spaß auf gar keinen Fall zu vermiesen und denen irgendwas kaputtzumachen, einfach nur, weil ich mit der Sache nicht umgehen kann. Das wäre mir persönlich am unerträglichsten, zu wissen, ich hab eine Veranlagung, die sich zu etwas sehr Schönem hätte entwicklen können, ganz zu Anfang zu sehr überdreht und sie dadurch kaputtgemacht und unmöglich gemacht, und das ist eine Variation, eine Facette, die fehlt und die auch nicht mehr wiederkommt. Man sollte versuchen, jedem die Entwicklung zu ermöglichen, in der er sich seine ganz eigene Nische mit seinen ganz persönlichen Vorlieben ausbauen kann. Man sieht das sehr oft unheimlich schön bei Leuten, die das schon wirklich lang machen, bei Leuten, die das dreißig, vierzig Jahre lang machen. Die wissen ganz genau, das mag ich so, und das mag ich gar nicht, und das mag ich, hm, kommt drauf an, nicht immer, aber manchmal mag ichs ein bißchen. Man hat dann so seine Grundrichtung oder ein bestimmtes Grundgerüst aus dem Vorgespräch gezogen, und das ist halt auch der kreative Punkt: ich muß das, was ich an Informationen hab über die Phantasien eines anderen, aufgreifen und muß quasi seinen Film, seine Phantasie für ihn weitererzählen, für ihn geschehen lassen, damit halt neue, überraschende Elemente, die er sich so nicht ausgemalt hat, reinkommen. Und das ist halt das, was Spaß macht: Schaff ichs, hier genau auf den Film einzusteigen? Man kennt den anderen ja im Regelfall nicht oder nicht gut. Der Kontakt beschränkt sich auf das Spiel. Okay, mit Leuten, die man länger kennt oder die oft zu einem kommen, da entwickelt sich im Laufe der Zeit auch was Zwischenmenschliches, was mit Sexualität oder mit Studio nichts zu tun hat, mit denen spricht man dann auch ganz normal hinterher über Familie, Beruf, Alltägliches eben. Aber der Regelfall ist ja eigentlich, da sitzt ein völlig Fremder, der sich im ungünstigsten Fall noch nicht mal traut, zu sagen, was er möchte. Das Krasseste, was ich da erlebt hab, war jemand, der mir bestimmt zehn Minuten lang immer nur gesagt hat: "Nein, ich kann Ihnen das nicht sagen, Sie werden bestimmt böse, wenn ich Ihnen das sage. Das müssen Sie mir versprechen, bitte werden Sie nicht böse auf mich!" Und als ich den dann nach zehn Minuten endlich soweit hatte, daß er sagte, was er wollte, da war das was, das war so alltäglich für mich, das war so gang und gäbe, also irgendeine Praktik, auf die eigentlich fast jeder abfährt und die eigentlich in jedem SM-Spiel mit drin ist. Er dachte wahrscheinlich, er ist damit allein auf der Welt.

Gerade bei Leuten, die zwei Generationen älter sind als wir, da merkt man halt doch, wie die Veranlagung in die Isolation geführt hat, ganz einfach weil sie gedacht haben, hey, das ist voll krank, und das empfindet keiner außer mir und das kann ich auch nie irgendwem sagen, und die sich halt dadurch auch nicht normal entwickelt haben, was ihre Partnerschaften oder sonstwas angeht, und denen dann auch nichts anderes übrigbleibt, als bei einer professionellen Dame ihre Phantasien umzusetzen. Auf der anderen Seite gibt es dann auch Herren, die sagen: "Ja, meine Frau versohlt mir eigentlich schon seit zwanzig Jahren mit der flachen Hand den Hintern, aber jetzt hat sie Arthritis und kann das nicht mehr, jetzt muß ich zu Ihnen kommen, junges Fräulein, dann machen Sie mal." Es gibt in dem Bereich alle Varianten. Das Klischee vom Manager, der den ganzen Tag den Ton angibt und sich dann nach Feierabend selber befehlen, erniedrigen, runterputzen läßt, das stimmt absolut nicht. Meine Erfahrung geht dahin, das geht durch alle Altersschichten, angefangen von ganz jung, also 18 ist das jüngste, was reindarf, bis zu steinalt. Mein ältester Gast kam an seinem neunzigsten Geburtstag; wir haben fürs Aus- und Anziehen länger gebraucht als für das Spiel selber, es hat uns aber beiden großen Spaß gemacht. Und es sind durchwegs Leute, die eine gewisse ... nicht Intelligenz, aber Intellektualität beim Sex mögen, die halt gern bewußt und mit dem Kopf rangehen und bei denen Sex zwischen den Ohren anfängt. Bei einem ganz kleinen Prozentsatz merkt man: da war irgendwie ein Schlüsselerlebnis, wird einem dann auch erzählt, was weiß ich, beide Eltern im Krieg verloren, ins Kinderheim gekommen zu den Nonnen, beim Onanieren erwischt worden, fürchterlich mit dem Rohrstock verprügelt worden, so daß sich dann irgendwann die beiden Bereiche so miteinander verquickt haben, daß das eine ohne das andere nicht geht. Daß Selbstbefriedigung und Schläge ein Ding geworden sind, und wo dann nicht im geringsten ein geistiger Reiz an der Sache zu entdecken ist, wo es einfach nur um die Erfüllung einer Routine geht, die dann zur Befriedigung führt.

Eine Veranlagung, wie ich sie für gesund entwickelt halte, die steht auch nicht still, sondern die kuckt immer weiter, da rennt der Geist immer voran, da ist die Phantasie immer einen Schritt weiter und die Realität bleibt halt immer ein bißchen zurück. Man setzt nie ganz das um, was man sich vorgestellt hat, man ist aber auch ständig auf der Suche nach neuen Impulsen. Dem gegenüber steht dann ein Typ, den ich eher für bedenklich halte. Ich habe einen, bei dem habe ich sieben Jahre in Abständen von ein paar Monaten hundertprozentig dasselbe Spiel veranstaltet, ohne daß ich jemals auch nur die Möglichkeit hatte, ihn da in eine andere Richtung zu bewegen. Der hat auf alles, was irgendwie an Neuerungen von meiner Seite hätte eingebracht werden können, so geblockt ... mir war das schon fast peinlich, ich denk dann, hey, du kannst doch nicht immer dasselbe mit dem machen. Man denkt ja dann, man wird für phantasielos gehalten oder sonstwas, man spult da ja nicht irgendein Programm ab und das ändert sich nie, also irgendwann merkt man das auch selber und denkt, hey, ein neuer Impuls wäre nicht schlecht, weil langsam wird auch mir langweilig. Aber da steht dann meistens noch eine zweite sexuelle Richtung, zum Beispiel eine latente Homosexualität, im Hintergrund - also, das ist jetzt nur ein Beispiel, keine Verallgemeinerung, das soll nicht heißen, wenn jemand in einer Schiene drinhängt und da nicht rauskommt, ist er latent homosexuell - das kann zum Beispiel so sein, wenn sich jemand immer in Damenwäsche von einer Frau wie eine Frau behandeln läßt, aber nur, weil es ihm unmöglich ist, zu einer homosexuellen Neigung ja zu sagen. In der Phantasie, im Verbalen wird das zwar jedesmal abgehandelt: "Herrin, führen Sie mich Männern zu? Werde ich dann gefickt?" - "Ja." Aber jedesmal, wenns dann tatsächlich dazu kommen soll oder wenns konkreter werden soll, kommt dann wieder der Rückzieher und man merkt, da ist eine Blockade und die kriegt man auch nicht raus, obwohl der Mensch wahrscheinlich um einiges glücklicher wäre, wenns denn endlich raus wäre. Weil irgendwann schlägt sich so ein Übergewicht im Bereich Sexualität auf die Bereiche Arbeit und Freizeit nieder, sprich da wird immer weniger geleistet, immer weniger Erfolgserlebnisse, immer weniger von dem erreicht, was eigentlich für einen Menschen gesund ist, die verkümmern, die leiden mit, und der trägt halt irgendwie ein riesiges Paket aus unausgelebten Wünschen und Bedürfnissen mit sich rum, unter dem er immer kleiner wird. Es gibt Leute, denen kann man gegen ihren Willen helfen, weil sie es nicht merken, und es gibt Leute, bei denen funktioniert das nicht. Leute, bei denen es funktioniert, weil sie im Grunde genommen dankbar dafür sind ... ich muß sagen, das ist auch eine der wenigen Praktiken - ich mach im professionellen Bereich wirklich fast alles, was ssc ist, das ist auch da meine Vorgabe, aber was halt gesundheitlich bedenklich und darüber hinaus für die Psyche des Menschen nicht unbedingt gut ist, sind Toilettensexspiele der härteren Gangart, halt die Aufnahme von Fäkalien. Weil jemand, der zu einer "normalen" Session kommt, der geht raus und sagt, ich fühle mich supertoll, ich schwebe und das war ganz klasse, und die Leute, die kucken einen noch nicht mal an, die rennen an einem vorbei, die sagen noch nicht mal Tschö, die schämen sich in Grund und Boden. Bei denen tritt dieses Bedürfnis in Abständen auf, aber die sind da nicht glücklich bei, denk ich - die meisten, die ich kennengelernt hab, warens nicht - die können sich nicht ins Gesicht schauen, die haben Abscheu und Ekel vor sich selber, das ist halt nur der Moment, der kurze Kick, auf dens hinausläuft und danach ist der Mensch sich selber nichts mehr wert und kann damit auch nicht umgehen. Das waren die einzigen, die ich bewußt versucht hab, in eine andere Richtung zu prägen. Für mich gibts drei grundlegende Dinge, das ist Schmerz, das ist Ekel, das ist Erniedrigung. Jemand, der auf Toilettensex steht, hat zum Beispiel eine Veranlagung im Bereich Ekel. Ich kann auch andere Ekelspiele machen, ich kann die abmildern. Oder ich kann den auch völlig aus dem Bereich rausreißen und sagen: "So, du bist jetzt aber nicht mehr meine Toilette, du bist jetzt das liebe brave Hündchen der Herrin und du schleckst mir jetzt die Füße ab, wie das ein Pudelchen tut." Naja, der ist glücklich. Der meint, er erfüllt mein Bedürfnis, er tut das, womit er mir Freude bereitet.

Wenn man Leute beobachtet, die's sehr lange machen, die's zwanzig oder dreißig Jahre machen, sicherlich sind die nach zwanzig oder dreißig Jahren härter als jemand, der mit SM anfängt, aber ich denke, das ist eine natürliche Entwicklung. Jeder setzt sich selbst irgendwo seine Grenze und über die geht er in den meisten Fällen nicht. Man sagt schon, ok, ich möchte niemanden ernsthaft verletzen, ich möchte nichts tun, was einen bleibenden Schaden hinterläßt. Innerhalb dieser Grenzen kann es schon extrem werden, muß aber nicht. Jemand, der auf Damenkleidung steht, zieht der immer mehr Röcke übereinander? Nee, oder?

Es gibt diesen Phantasieballast, den der Mensch mitschleppt, den er auch eigentlich nicht mehr in einem normalen Rhythmus abarbeiten kann. Normalerweise sind Phantasien da, man lebt die Phantasien aus, ist dann auch wieder in der Lage, Spaß an normalem Sex zu haben, aber wenn halt immer nur die Phantasie da ist und nie die Praxis, wenn das nie ausgelebt wird, dann existiert halt irgendwann auch nichts mehr rechts und links von der Phantasie, sondern nur noch die Fixierung darauf. Teilweise ohne es auch nur einmal zu erleben. Es ist dann einfach kein Raum mehr für anderes. Ich denke, das kann durchaus auch in den Bereich der Zwangsvorstellungen abgleiten. Was nicht ausgelebt wird, stirbt.

Ich lehne eigentlich nie jemanden ab. Ganz unabhängig von Auftreten, von Persönlichkeit, von Aussehen, von Alter, von Typ, von Mensch - wie gibt sich der im Gespräch -, hab ich die Erfahrung gemacht, daß es hinter dieser Alltagspersönlichkeit immer noch eine Spielpersönlichkeit gibt. Und selbst wenn der mir als Mensch furchtbar unsympathisch ist und ich den eigentlich gar nicht sehen möchte, dann kann's trotzdem sein, daß ich mit seiner Spielpersönlichkeit hervorragend klarkomme, toll harmoniere und das einfach nur Spaß macht. Dann haben wir uns zwar so nichts zu sagen, aber das klappt. Für mich ist es eigentlich eher immer ein Problem gewesen, daß ich niemanden ablehne; deswegen sind meine Praktiken immer extremer geworden, deswegen mache ich sehr viel, was andere vielleicht nicht machen, grade weil ich niemanden ablehnen wollte, weil ich immer gedacht hab: Wo geht der jetzt hin, wenn du ihn wegschickst? Und ich weiß, wie einige Damen in dem Bereich arbeiten, da wird einem angst und bange, und deswegen hab ich teilweise Praktiken gemacht, wo mir furchtbar mulmig bei war und immer noch ist und wo ich mich super konzentriere und eigentlich auch immer ein gesundes Maß an Angst habe, ob das jetzt gutgeht oder nicht. Immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, wo geht er hin, wenn du ihn wegschickst, an wen gerät er dann? Allein das Vertrauen, mit dem so jemand an einen herantritt und nach fünfzehn Minuten Gespräch bereit ist, sich komplett auszuliefern, allein diese Bereitschaft versuche ich halt mit einer entsprechenden Leistung zu honorieren und ihm möglichst auch das zu geben, was er möchte, unabhängig davon, ob ich ihn jetzt als Mensch mag oder nicht.

Normalerweise entwickelt sich in einem Vorgespräch so ein Hin und Her. Der andere sagt, ja, bei mir geht das so in die und die Richtung. Und man selber bekommt dann so einen Impuls und sagt, das und das würde Ihnen wahrscheinlich Spaß machen. Oder, eher so oder eher in die andere Richtung? Ich mach mittlerweile nur noch ganz kurze Vorgespräche. Ich frag: "Würden Sie sich selber eher als masochistisch oder als devot bezeichnen oder ist eine Fetischneigung da? Was wurde an Praktiken bereits gemacht?" Wenn jemand nicht sagen will, was er gern machen möchte, dann kann er doch meistens seine Tabus recht klar äußern. Und auf den Sachen bau ich halt auf. Ich würde jedem raten, beim ersten falschen Zwischenton, beim geringsten Gefühl von Unbehaglichkeit, von Nichtverstandensein wieder zu gehen. Man kann immer nochmal wiederkommen. Man sollte nicht versuchen, am Telefon schon alles mögliche zu erörtern, sondern im persönlichen Gespräch. Man sollte sich einfach wie bei jedem Menschen, den man so normal auch trifft, fragen: Vertraue ich dieser Person? Halte ich diese Person für ehrlich? Weiß diese Person, wovon sie spricht? Hab ich ein gutes Gefühl? Und wenn ich ein schlechtes Gefühl habe, ist das jetzt nicht die letzte Chance für mich. Ich muß das jetzt nicht machen. Ich hab immer noch die Wahl. Das kann auch ein Anfänger gut beurteilen. Die Leute merken schon, wenn man sie versteht, wenn man weiß, wovon sie reden. Und sobald die merken, hey, die auf der anderen Seite, die hat da einen Draht zu, die weiß, wovon ich spreche - oder wovon ich nicht spreche. In dem Moment fangen die an, sich zu entspannen, und ich sag auch vorher immer ganz klar und deutlich, daß ich nichts tue, was der andere nicht will, und daß jederzeit die Möglichkeit zum Ausstieg besteht. Mißtrauisch sollte man werden, wenn zu schnell die Sprache aufs Geld kommt. Das sollte am Ende eines Gesprächs stehen und nicht am Anfang. Wenn einem nicht die nötige Zeit gelassen wird, seine Vorstellungen zu äußern, sondern wenn es heißt: "So, Sklave, zahlen, mitkommen!" würde ich auch abraten - zehn, fünfzehn Minuten Vorgespräch sollten bei jemandem, den man nicht kennt, immer drin sein. Es ist gewiß nicht verkehrt, die eigenen Phantasien in schriftlicher Form - nicht zu episch - mitzubringen und der Dame zu geben und zu sagen: Ich hab mir da ein paar Gedanken darüber gemacht, was mir gefallen könnte, lesen Sie sich das doch vorher mal durch, und dann eventuelle Fragen gemeinsam zu klären. Oft wird gerade in dem Bereich ein bißchen geblendet. Ein tolles Outfit oder das perfekte Styling kann schnell drüber hinwegtäuschen, daß der Mensch nicht ganz der ist, für den er sich ausgibt. Da sollte man sich auch nicht davon blenden lassen, daß jemand wie eine Domina aussieht, sondern sollte eher drauf achten, verhält sie sich wie eine Domina? Und das ist nicht anschreien oder böse oder sonstwas, sondern das ist ein ganz normales, ruhiges Gespräch mit einer gewissen Überlegenheit. Also man führt schon das Gespräch und der andere antwortet, aber Höflichkeit und Freundlichkeit und ein menschlicher Umgang sollten auch da der Prüfstein sein, ob das jemand ist, dem man sich ausliefern will oder nicht.

Die Nachfrage nach professionellen Dominas und Sklavinnen hält sich die Waage. Auch da gibts alles, jede Abstufung, jede Richtung, jedes Extrem, und die Frauen finden natürlich die Männer, die ihre Bedürfnisse befriedigen, auch nicht an der nächsten Ecke, wenn sie auf etwas härtere Praktiken stehen und sind auch im Studio in der Regel ganz gut aufgehoben. Es gibt einige wenige Studios, da gibt es keine Sklavinnen, oder keine Zofen. Diese Unterscheidung wird gemacht, also die Zofe ist die Assistentin der Domina, die ist aktiv und passiv, die kann dominieren, die kann aber auch die Devote rauslassen. Und dann gibt es halt Sklavias oder Sklavinnen, die ausschließlich passiv sind. Auch da gibt es Unterscheidungen - die eine ist devot, die andere ist masochistisch, die dritte ist beides. Ich finde, es sollte ein Grundsatz sein, wenn ich mit passiven Damen zusammenarbeite, führe ich das Vorgespräch. Der Gast setzt sich hin und sagt: "Ich möchte eine Sklavin, ich möchte die schlagen." Dann frage ich: "Womit?" Und wenn ich dann keine vernünftige Antwort bekomme, sondern nur "öh öh öh", dann hake ich nach. Das sind nämlich die Herren völlig ohne Erfahrung, die sich denken, ha, ich bin dominant, und die sind dann auf einmal mit einem Mädel allein, haben dafür bezahlt und wissen gar nicht, was sie denn nun tun. Wenn ich merke, jemand hat gar keinen Plan, sag ich: "Ok, ich komm mit rein und zeig dir halt erst mal mit ihr zusammen die Geräte." Oder eine Alternative ist, er kann sich von der Frau zeigen lassen, worauf sie steht, was er bei ihr anwenden kann. Ich zeige ihm ein bißchen, wie's geht, was er nicht tun soll, und wenn ich das Gefühl hab, die beiden kommen alleine klar, laß ich sie allein. Bei Leuten, denen ich nicht über den Weg traue, die mir komisch vorkommen und die auch keine Studioführung, Instruktion oder sonstwas möchten, bei denen stehe ich prinzipiell nach zehn Minuten auf einmal unverhofft im Raum und sag: "Ich muß grad mal da die Brustwarzenklammern haben". In dem Moment weiß der, er ist unter Kontrolle, er kann eigentlich nichts tun, weil er ständig damit rechnen muß, daß ich in der Tür steh. Meistens reicht die Präsenz dann auch aus, um Schlimmeres zu vermeiden, aber es gibt natürlich die blödesten Gäste überhaupt, die halt nicht kucken, ob ein Schlüssel für's Schloß da ist.

Meine eigenen Erfahrungen aus der nichtkommerziellen Subkultur gehen in die Richtung, daß das Verhältnis passive Männer - dominante Damen ein sehr unausgeglichenes ist. Es sind unheimlich viele passive Männer unterwegs, die sich nichts sehnlicher wünschen als eine Herrin, und wenn man seinen Job korrekt und mit Spaß und mit dem entsprechenden Knowhow macht ... ich hab zwei Drittel Stammgäste, ein Drittel neue Gäste, meine Stammgäste kommen teilweise seit Jahren. Was dem Geschäft ein bißchen schadet, sind die Verquickungen von normaler Prostitution und Studio, also die Dame, die eigentlich nur aufs Geld schaut und sagt, ok, eigentlich hab ich von Tuten und Blasen keine Ahnung, aber wenn ich dafür mehr Geld krieg, dann mach ich jetzt auch die Domina. Das sind die, die auch viel Geld in Werbung investieren, die einen guten Teil des Kundenpotentials erst mal vom Markt holen, aber das sind meistens auch einmalige Besuche, das ist schnelles Geld. Also man bekommt nicht mehr alles aus der Zielgruppe, die landet nicht mehr komplett im Studio, die verläuft sich auf dem Weg dahin. Aber irgendwann finden sie hin, und ich kann nicht sagen, daß die Geschäfte schlecht laufen.

Im Privatleben geht es ja nicht nur um die eigene Veranlagung, die eigenen Wünsche und die eigenen Bedürfnisse, da wird das ja in Absprache mit dem jeweiligen Partner festgelegt, was zu passieren hat. Im Studio kann man gezielt hingehen und sagen: Ich habe Lust auf diese und auf jene Praktik, und das wollte ich schon immer mal machen. Ok, man bekommt dann vermittelt, daß einem das geschieht und daß das aus dem Wunsch der Dame heraus passiert, aber im Prinzip sinds natürlich die Wünsche des Gastes, die erfüllt werden sollen.

Die erste Kontakte mit der nichtkommerziellen Szene, die ich hatte, waren halt, daß ich auf Feten gegangen bin, und da ist es gar nicht mal so selten vorgekommen, daß dann zwei oder drei Tage später der Dominus von der Party auf einmal in der Tür stand und sagte: "Eigentlich bin ich ja auch ein bißchen passiv, aber meine Freundin kann das nicht so. Jetzt hab ich Sie gesehen und mußte kommen." Das ist aber auch teilweise so ein Ding, was sich die Szene da selber geschaffen hat, daß sie es dem Mann nicht so leicht macht, wenn er jetzt einmal die Top-Rolle hat, sich auch gleichzeitig zu seiner Switch-Rolle oder zu seiner passiven Rolle zu bekennen, also, ich glaub, da ist bei Männern ein größerer Druck hinter als bei Frauen, dann auch in dieser dominanten Rolle zu verharren, weil ... weil ... keine Ahnung warum. Und die leben das dann halt ausschließlich im Studio aus, weil sie denken, sie vergeben sich was, wenn sie alle Aspekte ihrer Persönlichkeit da rauslassen, wo sie den Top rauslassen. Ob die Freundinnen das wissen, kann ich nicht sagen, keine Ahnung. Danach frag ich ja auch nicht. Ich hab unheimlich viele Gäste, die sagen: Mit meiner Frau mach ich das und das, aber das und das nicht, und die weiß auch, daß ich da bin. Aber genauso gibts natürlich auch die, die sagen, ok, ich möchte meine Beziehung nicht mit irgendwas belasten, wo ich meine allein mit dazustehen, und deswegen bleibt das jetzt unser Geheimnis, also, es gibt alles.

Ich fang an mit einer Einführung, die bewegt sich so im Rahmen einer halben Stunde. Ich steh nie mit der Stoppuhr dabei, also alle Zeiten, die ich sage, sind - nicht extrem, aber immer auch nach hinten dehnbar. Da kann man alles kurz anreißen, ohne sich jetzt richtig tief in die Materie begeben zu müssen. Ist für Anfänger gar nicht mal so verkehrt. Je nach Studio kostet das so 250 bis 300 Mark, im soften bis mittleren Bereich. Die Studiostunde im soften bis mittleren Bereich ist bei 400, das Maximum, was ich für eine Stunde nehme, sind 1000. Aber das ist dann auch dementsprechend hart, und das ist dann meistens auch keine Stunde, das sind dann anderthalb, aber darauf kommts mir dann nicht an.

Man hat ja keine Möglichkeit, irgendwelche Gelder durch irgendwelche Bücher laufen zu lassen. Jede Vereinbarung, die im Zusammenhang mit Prostitution getroffen wird, ist ein Verstoß gegen die guten Sitten und daher vor dem Gesetzgeber rechtsunwirksam. Deswegen möchten wir das Geld auch bitteschön vorher haben, weil wir es hinterher nicht mehr einklagen können. Ich kann's nicht aufschreiben, ich kann die Daten meiner Kunden schon allein aus Gründen der Diskretion nicht erfassen, und wenn, wär's eh irrelevant, weil's rechtsunwirksam ist. Es läuft meistens so, wenn Steuern gezahlt werden, daß nur die Studiobetreiberin Steuern zahlt. Der Status ist absolut elend, man hat keinerlei Rechte, nicht auf Krankenversicherung, nicht auf Rente, nicht auf Arbeitslosenversicherung oder sonstwas. Im Krankheitsfalle ist man halt auf die eigenen Rücklagen angewiesen. Das einzige, was der Staat halt tut, ist kassieren, aber das wird alles nur geschätzt, weil ja keine Bücher geführt werden, und dafür kommt gar nichts zurück. Deswegen ist das meiste in dem Bereich Schwarzgeld durch und durch.

Im günstigsten Falle ist eine Studioparty in einem finanziellen Rahmen, was ich korrekt finde, ist zwischen 100 und 200 Mark, Herr oder Herr in Begleitung. Dafür sollte es dann ein Buffet geben, dafür sollte es reichlich Getränke, alkoholische wie nichtalkoholische, umsonst geben. Im Regelfall werden halt die Studioräumlichkeiten präsentiert, es wird gezeigt, was kann man im Studio machen, es werden Vorführungen gemacht, die Leute haben die Möglichkeit, auf einen zuzugehen und sich mit einem zu unterhalten, man setzt sich mit denen auseinander. Es besteht die Möglichkeit, sich mit einer Dame seiner Wahl - kurz - zurückzuziehen, es besteht aber auch die Möglichkeit, Termine abzusprechen oder halt einfach mal auszuloten, auf sich wirken zu lassen, was ist das für eine Atmosphäre, was könnte hier passieren, will ich, daß hier was passiert? Einfach mal umkucken, wenn das gut gemacht ist, ist es wie so eine Art Tag der offenen Tür. Dann kommen die Leute auch wieder, weil sie sich im allgemeinen wohlfühlen. Auf der anderen Seite gibt es dann die abstrusesten, wildesten Mottoparties, Sklavenversteigerungen und was weiß ich. Da stehen dann die zwei Haussklaven und jedem, der reinkommt, werden drei-, vierhundert Mark abgenommen und dann geht man mit allen Sklaven in einen Raum, mit mehreren Frauen, und das Ganze wird dann halt als Programm, das so kurz wie irgend möglich ist, durchgezogen, das ist Beutelschneiderei. Also wenn Parties zu oft stattfinden in einem Studio, wenn mehrere Termine in einer Woche liegen oder wenn jedes Wochenende was stattfindet: mit Vorbehalt. Bei überhöhten Eintrittspreisen - also alles, was über 200 Mark ist, sowieso mit Supervorbehalt, weil, was krieg ich dafür geboten? Es gibt einige private Kreise, die in Studios Parties veranstalten, da ist es dann halt nicht ganz so leicht, dazu Zugang zu bekommen, aber das sind Feten, die sich wirklich lohnen.

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001