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Aus dem NähkästchenJudiths Bericht
Ich habe in einem "Stino"-Chat zufällig einen BDSMler kennengelernt, der durch seine Neigung Probleme in der Ehe hatte und jemanden suchte, bei dem er sich aussprechen konnte und der ihm zuhört. Durch seine Erzählungen hab ich einen Einblick in die Vielfältigkeit von BDSM bekommen und gemerkt, daß mich das, was er erzählte, irgendwie innerlich berührt. Dann hab ich begonnen, in die BDSM-Chats bzw. ins IRC zu wechseln, nachdem ich mich vorher im WWW etwas kundig gemacht hab ... viele Stories gelesen und so .... und meine Informationen vor dem "Coming-Out" mir gegenüber hatte ich zu einem Großteil aus dem Fernsehen (Liebe Sünde und solche Sendungen) und aus Zeitschriften und Büchern. Was schon eher verunsichernd war, da meine ersten Gedanken (vor allem nach dem ersten real-Spiel) dann in die Richtung "oh mein Gott ich bin pervers" gingen ... Hilfe versprachen diese Infos auch nicht, im Gegenteil. Es hat lange gedauert, bis ich mich jemand anderem öffnen konnte, von dem ich sicher wußte, daß er oder sie kein BDSMler war ... Der Kontakt kam eigentlich dadurch zustande, daß ich dem BDSMler in den BDSM-Chat gefolgt bin, weil er nur noch dort zu finden war ... und real kam er dadurch, daß ich mal "solche" Leute kennenlernen und gucken wollte, ob die wirklich so anders sind. Oder ob die so normal sind, wie sie sich im Chat anhörten und es somit doch noch etwas Hoffnung für mich gibt ;-)) Die größte Hürde war für mich, herauszufinden, wem ich genug vertraue. Mir war klar, daß die Öffnung und das Geständnis ziemlich verwundbar machen würden, und ich wollte nicht gleich beim ersten Outing eine Enttäuschung erleben. Und natürlich auch keine Freundschaft kaputtmachen oder so ... Mit meinen Interessen hatte ich wenig Probleme, da ich demgegenüber recht offen bin. Meine Grenzen standen / stehen fest, aber abgesehen davon muß ich erst ausprobieren, um beurteilen zu können. Ich habe mich geoutet vor meiner besten Freundin, vor meinem Bruder und seiner Freundin, meiner Mutter und ihrem Freund, drei meiner Mitschülerinnen (sehr guten Freundinnen), meinem Vater und einem sehr guten Bekannten aus dem Internet (in dieser Reihenfolge). Weil das die Menschen sind, denen ich teilweise am meisten vertraue bzw. weil ich finde, daß sie wissen sollten, was und wie ich denke und fühle. Das ist für den weiteren Kontakt zu ihnen einfach wichtig, und ich denke, daß sie anders meine Gedankengänge und Gefühle nicht so ganz nachvollziehen könnten Meine Mutter hat zuerst etwas ... naja nicht direkt "geschockt" reagiert ("Sadomasochistin ?!?!"), aber insgesamt sehr tolerant. Sie schärft mir nur immer ein, gut auf mich aufzupassen. Sie versucht mich zu verstehen, auch wenn sie meine Einstellung nicht so ganz nachvollziehen kann. Mein Vater hat anscheinend schon vorher etwas geahnt, schien nicht erstaunt (was wiederum mich etwas verwundert hat :-) ). Wir haben dann etwas diskutiert, und ich habe mich bemüht, die Meinung die er über BDSM hatte (vor allem aus den Medien) etwas zu korrigieren. Die Reaktionen waren nach der anfänglichen Überraschtheit eigentlich durchweg positiv. Mir hätte eigentlich "sowas" keiner zugetraut, und die meisten mit denen ich geredet habe, bewundern den Mut, offen darüber zu reden und vor allem meine Träume und Sehnsüchte auszuleben Aber wahrscheinlich gab's auch deswegen keine negativen Reaktionen, weil ich es den Menschen, von denen ich eine solche Reaktion erwartet hätte, erst gar nicht erst erzählt hab (irgendwie checkt man deren Einstellung vor dem Coming-Out dann doch ab ...) Ich bin offener geworden mir selber gegenüber und gestehe mir mehr ein, ebenso meine Schwachstellen. Und ich mache keine Kompromisse mehr, was mich betrifft, das hab ich vorher oft genug gemacht. Ich sehe mich als Ganzes. Ich hab gelernt, daß ich so ok bin wie ich bin, auch wenn das Leben manchmal etwas schwieriger geworden ist. Aber ich geh jetzt offener an Probleme ran und steck nicht gleich den Kopf in den Sand. Negativ empfinde ich die Tatsache, daß ich anderen Menschen (vor allem BDSMlern, die ich noch nicht kenne) etwas vorsichtiger begegne, nicht mehr so offen wie vorher ... da hatte ich noch keine Angst vor eventuellen Gefahren ... Außerdem hab ich es nicht mehr nötig, mich im Alltag auf Machtkämpfe einzulassen ... ich reagiere in solchen Situationen gelassener. Komischerweise hab ich, seitdem ich mich mir gegenüber als 90% sub bekenne, seltener zu kämpfen, um mich zu behaupten ... es gibt einfach weniger Diskussionen. Entweder etwas wird gemacht so wie ich das will oder eben nicht. Und wenn nicht, zieh ich halt daraus gewisse Konsequenzen, aber die Welt geht davon nicht unter :) Meinen ersten Partybesuch hab ich in sehr positiver Erinnerung ... es kam zu einem "halböffentlichen" Spiel, bei dem, soweit ich das mitbekommen hab, wirklich alle so fair waren und weitergegangen sind, nachdem vorher öffentlich ein paar kleine d/s-Aktionen abliefen (hinknien, etc). Ich war in Begleitung, hatte aber trotzdem die Chance, mich genügend umzusehen und wurde auch zu keinem Spiel gezwungen, im Gegenteil. Nach dem Spiel haben wir noch Rollen gewechselt (göttliches Glück der Switcher ;-) ) Ich hab neue Leute kennengelernt, mich mit ihnen unterhalten und gemerkt, daß ich nicht allein bin. Gut find ich an Parties den Kontakt mit anderen, die Möglichkeit, sich offen im Outfit zu bewegen, seine Neigungen offen ausleben zu können ohne deshalb schräg angeguckt zu werden (Rückhalt zu bekommen). Ebenso das Treffen von Bekannten, mit ihnen reden, Knuddelorgien, etc etc :) Weniger gut finde ich die hohe Spannerquote auf Parties und daß manche (vor allem einzelne männliche Partygänger, was mir auffiel) teilweise keinen Respekt vor öffentlich Spielenden haben ... z.B. laufende Spiele unterbrechen und den sub irgendwas fragen, nachdem er vom top gerade geohrfeigt wurde ... sowas empfand ich gelinde gesagt als unverschämt ..., zu wenig Abstand halten, laut seine Kommentare geben oder sich einfach im Spielraum aufhalten und Smalltalk machen, wenn es dafür einen extra Raum gibt. |
© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001 |