Die Wahl der Qual

 

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Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
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und noch ein paar mehr.

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Aus dem Nähkästchen

Interview mit Heinrich und Peter

 

Auf Widerstände trifft man schon, nur ist es global so, dass vieles praktiziert wird, es wird aber öffentlich nicht drüber diskutiert. In der Schwulenszene ist es immer noch so, gut, die Hardcore-Szene, also Lederszene oder, wie's im modernen Sprachgebrauch genannt wird, die Fetischszene, da wird ein bisschen offener gelebt und sich auch dazu bekannt. Aber im Grunde genommen ist es in der Schwulenszene so, dass die eine Gruppe die andere Gruppe ausschliesst. Beispielsweise, wenn man Leder-Fetischszene nimmt, die grenzen die Transsexuellen aus, die Pädophilen und was es noch so an Untergruppen gibt. Und das find ich eigentlich schade. Ich sag, wenn man halt schwul oder lesbisch ist oder wenn man ne gewisse Neigung hat, dass man sagt, es gibt viele Untergruppen und man hat doch ein gemeinsames Ziel.

Die Schwulen haben sich's halt einfacher gemacht: sie tragen halt äusserliche Erkennungszeichen. Wir haben das aus dem Amerikanischen übernommen, den Hankycode, die verschiedenfarbigen Taschentücher. Auf der einen Seite bedeutet das, ich bin aktiv, auf der anderen, ich bin passiv. Ich find's immer schade, dass man beim SM so in ein Rollenklischee verfällt. Für mich ist es so, wenn ich SM-Sex mach, also lieber mit jemand, der nach beiden Seiten offen ist, weil ich einfach sag, wenn einer nur aktiv ist, wie kann der aktiv sein, wenn er nicht weiss, was passiv abläuft? Und umgekehrt genauso. Gerade SM ist für mich eine Sache des Vertrauens.

Es gibt nicht so viele Vorurteile wie in der Heteroszene. In der Schwulenszene ist es sehr wahrscheinlich einfacher, Gesprächspartner zu finden, als in der, würde ich jetzt mal boshaft formulieren, in der offenen Gesellschaft. Aber Vorurteile gegen SM kommen natürlich vor, nicht so oft wie in der übrigen Welt, aber auch in der Schwulenszene gibts Vorbehalte von einigen, ich würde sagen, von einer Minderheit, die mit SM überhaupt nichts anfangen können und sich dann auch eher abwenden als zuzuhören.

In den Achtzigern hatte ich auch die gemischten Feten in der Domina-Bar mitgemacht, und da hab ich für mich die Erfahrung gemacht, dass, wenn bei Heten eine geschlossene SM-Veranstaltung stattfindet, dass es da heftiger abgeht als in einer rein schwulen SM-Veranstaltung. Also, das meiste findet meines Erachtens ganz privat statt. Weil wie gesagt, also ich bezeichne selbst für mich gerade SM als sowas Sensibles und auch auf Vertrauen Basierendes, dass man das selten so offen und exzessiv öffentlich ausleben kann.

SM kann für mich nur über Vertrauen entstehen, sprich, bestimmt nicht beim ersten Mal. Beim ersten Mal kann ein gewisses Vertrauen entstehen oder eben nicht, das wars dann, aber wenn ein gewisses Vertrauen entsteht, dann heisst das auch für mich, dass beim nächsten Mal oder bei den nächsten Malen Sachen passieren können, die beim ersten Mal nicht passieren. Fesseln oder irgendwelche Sachen, wo ich selber nicht mehr entscheiden kann. Das ist mir wichtig, grade bei fremden Leuten. Und wenn das dann eher entsprechend klappt beim ersten Mal, dann kann man darauf aufbauen.

Grade im Berliner Bereich gibt es genügend Angebote, kann man in der Schwulenpresse nachlesen, dass es da Clubs und Vereine gibt, die Veranstaltungen anbieten, und da kann man ruhigen Gewissens hingehen um mal reinzuschnuppern. Man sollte dann den Mut haben, zu sagen, hier, ich bin Anfänger, ich kenn mich nicht aus. Dann wird's immer welche geben, die einen behutsam in die Materie einführen. Es kann aber bei uns genauso passieren, dass man den ganzen Abend dumm am Tresen rumsteht. Oftmals ist es bei Veranstaltungen so, dass es sehr lange dauert, bis Action überhaupt stattfindet, und dass einige da sind, die nur kucken. Das stört natürlich dann die, die aktiv bei der Sache sind, aber ich glaube, das ist nur menschlich und passiert überall, dass die einen was machen und die anderen dumm rumstehen, zukucken und ihrer Phantasie freien Lauf lassen. Ich sag immer "Sehleute". Die werden allerdings, wenn sie als Sehleute erkannt werden, aufgefordert, nächstes Mal nicht mehr zu kommen oder die Party zu verlassen.

Ich wurde mal eingeladen, bei einer Talkshow zum Thema SM zu sprechen, als Angehöriger der schwulen Lederszene. Beim Telefonkontakt wurde ich nur gefragt, ob ich gut auswendiglernen kann. Ich hab gesagt, das ist für mich kein Problem, ich bin ausgebildeter Rhetoriker, ich les mir einen Text zwei, dreimal durch, dann hab ich den im Kopf. Dann sagten die, die Antworten schreiben wir dann vorher, und dann sollte ich die auswendiglernen.

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001