Die Wahl der Qual

 

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Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Aus dem Nähkästchen

Interview mit Christina

 

Ich hab einen ausgesprochenen Hodenfetisch. Den hatte ich schon immer, der ist mir nicht später gewachsen. Ich finde es erregend, wenn jemand große Hoden hat. Also, ich meine, gut, der Rest muss auch noch stimmen, es ist nicht so, dass ich nur dadrauf fixiert bin, aber es ist schon so, dass ich das spannend finde. Schon in meinen ersten sexuellen Phantasien, so mit zwölf, dreizehn, hab ich mir Maenner mit riesig großen Geschlechtsteilen vorgestellt. Die haben dann wunderbar in meine Kerkerphantasien reingepasst. Ich hatte damals nicht die 'O' gelesen, ich hatte auch noch nie was davon gehört, aber sie sind dann auch mit solchen Hosen rumgelaufen wie in der 'O', die vorne ausgeschnitten sind, so dass das Gemächt rumbaumelt. Und es wurden halt nur Männer zugelassen mit übermäßig vergrößerten Hoden zu diesen Kerkerspielen. Die Größe des Schwanzes interessiert mich nicht, es geht nur um die Hodengröße. Ich hab mir da eigentlich nie so richtig Gedanken drüber gemacht - die wenigsten Männer haben ja große Hoden.

Wenn ich in die aktive Rolle schlüpfe, dann bin ich auch absolut aktiv, dann zieh ich auch meinen Orgasmus und meine Erregung nicht zuletzt daraus. Wobei ich ja meistens DS-Spiele vorziehe, und da hat man ja dieses extreme Machtgefälle, und das ist für mich halt sehr erregend dabei, diese Allmacht, die man da in dem Moment hat. Aber ich kann daraus auch umschalten, das ist kein Problem, mittendrin in die passive Rolle umzuschalten. Ich hab aber auch jede Menge wirklich dominante Phantasien und überlege mir auch nette Plots vorher, ehe ich anfange zu spielen, und hab dann auch daran Spaß, den anderen zu quälen und nicht nur daran, dass ihm das jetzt Spaß macht, wenn ich ihn jetzt quäle. Ich denke, es gibt Tops, die das an sich spannend finden, und es gibt aber auch eine ganze Menge, die das machen, weil sie es spannend finden, wenn der andere erregt ist. Die das eigentlich so ein bisschen von einem voyeuristischen Standpunkt aus sehen: sie machen was, und erregen den anderen damit, und das finden sie spannend, aber nicht per se das Gefühl, dem anderen Schmerzen zuzufügen.

DS:

Für einen Aussenstehenden ist das, glaub ich, sehr schwierig zu verstehen. Ich mein, ich versteh's ja selber nicht, wenn ich darüber nüchtern nachdenke. Es ist so das völlige Aufgeben seiner selbst, sich völlig dem anderen in die Hand zu geben. Sich selbst aus freien Stücken versklaven. SM hat für mich immer was von Überwältigen und gewaltsam die Macht an sich reissen und den anderen misshandeln und quälen. Aber beim DS-Spiel bist du immer Top von Subs Gnaden, also, der andere begibt sich in den Subspace, damit du Macht über ihn hast. Das sind zwei unterschiedliche Spiele.

Ich bin da wahrscheinlich ein Spezialfall. Mir ist das Geschlecht einfach egal. Mir ist es relativ wurscht, ob der andere männlich oder weiblich ist, oder ob er männlich aussieht und sich weiblich fühlt, oder umgekehrt. Ich find in erster Linie den Menschen attraktiv und spannend. Und in zweiter Linie hat er halt noch irgendwelche lustigen Features an seinem Körper, die ich vielleicht nicht habe - sei das bei einer Frau, dass sie halt Geschlechtsteile hat, die vielleicht anders aussehen als meine oder wo es einfach spannender ist, dran rumzuspielen als an den eigenen. Ich kann mich ja nicht selbst befriedigen, ich find es super unspannend, mich selber anzufassen. Sowas mach ich unter der Dusche, wenn ich mich wasche, und das ist es dann. Ansonsten gibt mir das überhaupt nichts, während es bei anderen Frauen halt unheimlich spannend ist. Oder genauso halt bei Männern, die haben natürlich noch ganz andere Geschlechtsorgane als man selber. Aber ich mach mir nie einen Gedanken darüber, wenn ich einen Menschen sehe und find den attraktiv und der hat für mich eine erotische Ausstrahlung, mach ich mir nie einen Gedanken darüber, ob das nun ein Mann oder eine Frau ist. Die Gedanken mach ich mir in dem Moment, in dem ich mir überlege: wie kann ich denjenigen anbaggern. Weil Frauen einfach ein anderes Baggerschema haben als Männer. Aber ansonsten ist mir das egal. Deshalb hab ich nie den Drang gehabt, zu diesen BiNe-Treffen zu gehen, weil ich mich nicht bisexuell fühle. Deshalb hab ich mich auch auf dieser Lesbenmailingliste so völlig unwohl gefühlt - nicht nur, weil ich sie hysterisch finde, sondern auch, weil ich mich einfach nicht lesbisch fühle. Und ich fand mich da völlig deplaziert. Ich kann's insofern ganz gut nachvollziehen, wie es diesen ganzen Trannies geht, die auch sagen, sie fühlen sich ständig deplaziert, weil sie immer als Frau behandelt werden, sich aber nicht als Frau fühlen. Ich fühl mich in dem Moment, in dem ich mit einer Frau ausgehe und rumknutsche, fühl ich mich nicht lesbisch, werd aber von der Umwelt als Lesbe angesehen und behandelt. Ein dubioses Gefühl, so neben sich zu stehen. Wobei ich eh der Meinung bin, dass sich über kurz oder lang diese strenge Trennung in heterosexuell und homosexuell auflösen wird und die Leute da etwas freier werden.

Wenn ich in meinem Bekanntenkreis - also unter meinen nichtperversen Bekannten - wenn ich da mal streue, dass ich mit einer Frau ins Bett gehe oder dass ich pervers bin oder sowas: die sind vielleicht ein bisschen überrascht, aber es ist nie so, dass die Leute schockiert wären, und oft genug kriegt man dann auch zu hören: ach, naja, warum nicht?

Also mein alter Kumpel Dete, dem gegenüber hab ich mich dann irgendwann mal geoutet, den kenn ich schon zehn Jahre oder sowas. Dem hab ich das dann irgendwann mal erzählt, als er mal wieder versuchte, mich anzugraben, und ich sagte ihm dann, wir wären sowieso nicht kompatibel, weil er sicher nicht drauf stehen würde, wenn ich ihn ans Bett fessel und auspeitsche. Er kuckte dann am Telefon so ein bisschen schockiert und meinte: Wie jetzt? Und dann hab ich ihm das ein bisschen erklärt, und er sagte, aha ... und das war's dann auch für dieses Telefongespräch. Zwei Wochen später haben wir dann wieder telefoniert, und da fragte er dann: 'Sag mal, du hast da letztes Mal gesagt, das mit dem SM. Wie ist das eigentlich bei euch? Schlaft ihr auch noch miteinander? So richtig, so, ganz normal?' Also er war nicht so besonders schockiert, aber die Sache hat ihn offensichtlich beschäftigt. Ansonsten lauf ich in meinem Bekanntenkreis nicht mit einem Schild rum 'Hallo, ich bin pervers'. Wenn das Gespräch drauf kommt, steh ich dazu, aber ich hab da keinen missionarischen Drang, und ich hab da nie schlechte Erfahrungen gemacht. Den Leuten ist es entweder egal oder sie sagen, ach, interessant, und das ist es dann auch. Ich bin allerdings nicht bei meiner Familie geoutet. Die wären wahrscheinlich hochentsetzt. Ich lauf in meiner Firma nicht rum und oute mich dort, aber wenn irgendjemand mal über die Webseiten stolpert oder das sonstwie mitkriegt - es passiert halt auch, dass Leute mich deshalb anrufen, wenn ich grade im Büro bin, und dann unterhalt ich mich auch mit denen. Wenn das mal jemand rauskriegt in der Firma, dann ist es halt so. Ich mach mir da keine großen Sorgen um meinen Job. Ich weiss jetzt nicht, ob ich unbedingt mein Konterfei in der Süddeutschen abdrucken lassen würde, die meine gesamte Kollegenschaft liest, das wahrscheinlich eher nicht. Aber wenn das Gespräch mal drauf kommt und jemand sagt, ich hab dich da gesehen, sag ich, ja und? Da hab ich kein Problem. Ich glaub auch nicht, dass mir daraus berufliche Nachteile erwachsen. Weil ich relativ sicher bin, je mehr man selber zu solchen Sachen steht, umso weniger Angriffsfläche bietet man auch.

Ich glaube, es kommt auf den Bereich an, wo man ist. Ich glaube, wenn man Arzt ist und eine Praxis hat und hat halt so Durchschnittsbürger und nicht gerade eine schwule Klientel oder sowas als Patienten, kann man da schon Schwierigkeiten bekommen. Ich hab aber das Gefühl, dass die Befürchtungen stark übertrieben sind. Ich denke, es gibt sensible Berufsgruppen - wenn ein Sozialpädagoge sich als SMler outet, der viel mit Kindern zu tun hat, dann schreien garantiert alle gleich Kinderschänder. Oder wenn ein Pfarrer sich als SMler outet, wird er Schwierigkeiten haben, seinen Schäfchen zu erklären, warum er in seiner Freizeit seine Frau verhaut. Aber für die meisten Gruppen wird das glaub ich völlig hysterisiert, ich denk, es ist nichts anderes, als wenn man schwul ist. Auch da kann's einem immer passieren, dass man daraus Nachteile bekommt, aber in den seltensten Fällen ist es so. Und ich denke schon, je mehr man dazu steht, umso weniger können einen die Leute dafür angreifen. Und insofern mach ich mir da auch keine Karrieresorgen. Als Hetero hat man ja sowieso das Glück, dass man während der Arbeitszeiten nicht über seine Sexualität sprechen muss. Ich muss ja niemandem davon erzählen. Aber das muss jeder für sich entscheiden. Das ist mit ein Grund, warum ich das für sinnvoll halte und warum ich mich da auch ein bisschen reinhänge in diese ganze Öffentlichkeitsarbeit und Gruppenbildung und sowas: weil ich denke, je mehr wir uns breitmachen und je größer die Gruppen werden, umso mehr wird es irgendwann mal ins Bewusstsein der Leute treten, dass es normal ist. Dann gibts zwar immer noch ein paar, die dann jammern, dass sie keine Randgruppe mehr sind, aber mir ist das ganz recht, wenn das einfach irgendwo akzeptiert wird: naja, es gibt halt SMler. Dass es dann irgendwann normal wird.

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001