Die Wahl der Qual

 

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Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Aus dem Nähkästchen

Interview mit Cecile

 

Ich habe irgendwann jemanden getroffen, dessen Phantasien sich mit meinen deckten, der dafür den Namen "Sadomasochismus" kannte, und da ist mir aufgefallen, daß das eigentlich das Zeug ist, das bei mir im Kopf rumsteht. Aber so mit 16, 17 hätt ich nie gesagt, ich bin Sadomasochist, ich hätte halt gesagt, ich hab komische Phantasien. Ich hab da auch mit meinem Freund offen drüber geredet, Bildchen gemalt und so, und wir haben's irgendwann ausprobiert, so mit 17, und es hat sich gezeigt, daß das nicht funktioniert, weil er halt nicht drauf stand. Wir hatten eine sehr offene Sexualität - als ich ihn kennengelernt hab, hatte er noch keine sexuellen Erfahrungen, und wir haben uns sozusagen das Vanille-Handwerkszeug von Anfang an gegenseitig gelehrt, und da war es irgendwie auch für mich logisch, nicht nur über Geschlechtsverkehr und Oralsex zu reden, sondern auch über andere Phantasien. Zum einen haben meine Eltern mir nie große Tabus beigebracht in dem Punkt, und zum anderen hatte ich eben vorher keine negativen Erfahrungen gemacht. Ich denke, wenn ich das angesprochen hätte und er sich dagegen gewehrt hätte, dann wäre ich in einer späteren Beziehung natürlich nicht so offen gewesen.

Ich kann mich nicht bewußt erinnern, Bücher oder Filme zu dem Thema gesehen zu haben, sonst wäre ich ja früher draufgekommen, wie sich das nennt. Ich bin natürlich nicht gleich am ersten Tag damit herausgeplatzt, von wegen, hey, möchtest du mich fesseln, oder so, aber ich hab mich auch nicht wirklich dafür geschämt oder versucht, es zu verbergen oder so. Aber es hat dann eben nicht funktioniert. Ich hab ihn gefesselt - er hat sich tödlich gelangweilt. Er hat mich gefesselt - ich fand das sehr geil und hab angefangen zu heulen, weil es so überwältigend war, woraufhin er mit meiner Reaktion nicht zurechtkam. Dann haben wir's halt gelassen. Ich habe ihn auch sonst spielerisch geärgert, damit er mir den Hintern versohlt, auch spielerisch ... das hatte nie so eine richtige sexuelle Komponente, aber trotzdem hab ich's immer wieder gemacht.

Dann habe ich auf einer Internetparty vom Channel #germany einen Typen kennengelernt, der so kleine Handschellen an seinem Gürtel trug. Irgendwann wurde er von jemandem spielerisch darauf angesprochen, ob er seinen Hamster damit fesseln würde. Er hat dann angefangen zu erklären, was das ist, und was damit alles zusammenhängt. Ich hab große Ohren bekommen, mir das Ganze nochmal ganz ausführlich erzählen lassen, ihm von meinen Phantasien erzählt und so weiter, und das endete dann damit, daß wir am Abend ein kleines Spiel hatten und dann ein Wochenende zusammen verbracht haben, wo ich dann endlich mal alles das aussprechen konnte, was mir im Kopf herumgespukt hat, und von dort an gings eigentlich recht schnell weiter. Zwei Monate später oder so hat er mich auf die erste Party mitgenommen, Stammtische besucht und so - das ist alles ziemlich schnell passiert. Als wir uns kennengelernt haben, war ich 18.

Theorie?

Die Menschen sind einfach unterschiedlich. Ich meine, wenn Menschen in so vielen anderen Dingen, Zugehörigkeit zu diversen Subkulturen, Musikgeschmack, Essensvorlieben und so weiter, unterschiedlich sind, warum sollen sie sich dann nicht auch im Bett unterscheiden? Und abgesehen davon kann man ja auch keine klaren Grenzen ziehen zwischen Vanillas und SMlern.

Meine Eltern wissen nicht Bescheid, wozu auch? Meine Mutter hat mich nie drauf angesprochen, mein Vater auch nicht, sie haben die sexuelle Aufklärung damit beschlossen, zu erklären, was AIDS ist und daß man Kondome benutzt. Ich kann natürlich nicht absehen, ob meine Mutter irgendwann mal in meinem Schrank rumgeschnüffelt hat und die große Spielzeugkiste gefunden hat, keine Ahnung. Irgendwann hab ich mir einen Lackrock selber genäht und sie hat ganz begeistert bei der Anprobe mitgeholfen und gemeint, das sei ja so schön und so modisch und würde ja den jungen Leuten von heute so gut passen, also zumindest in solchen Dingen ist sie eher aufgeschlossen. Aber es wäre mir unangenehm, weil meine Mutter zum Teil Probleme hat, mich als selbverantwortliches und eigenständiges erwachsenes Wesen wahrzunehmen, und ich denke, sie würde sich einfach Sorgen machen, mit was für Leuten ich zusammen bin und ob das nicht gefährlich ist ... Bei Freunden und Bekannten geh ich nicht damit hausieren, aber ich wenn man mich darauf ansprechen würde, würd ich es schon erzählen.

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001