Die Wahl der Qual

 

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Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Aus dem Nähkästchen

Interview mit Birgit

 

Auf die Pet-Spiele hat mich eigentlich mein Freund gebracht, der sehr gerne in die Hunderolle geht oder auch in die Ponyrolle. Was mich als Aktive daran anmacht, ist ... ja, man hat wirklich eine sehr große Kontrolle, weil der andere sich wirklich in so eine Tierrolle reinbegibt und einem eigentlich alle Kontrolle überlässt, alle Sprache auch. So seine menschlichen Fähigkeiten abgibt. Auf der anderen Seite hat ein Tier unheimlich viele Möglichkeiten, sich zu artikulieren, und deshalb ist ein Pet-Spiel, wenn man es scheinbar mit einem Tier in diesem Moment zu tun hat, für mich gar nicht so SMig, sondern ich geh dann wirklich mit diesem Tier um. Und man kann in diese Rolle halt sehr viel reinlegen. Zum Beispiel können wir da drin Erziehungssachen mit ihm machen, die er als Mensch nie akzeptieren würden, die aber für einen Hund, dass er eben auf Kommando herkommt, völlig eingängig sind, also, die gehören dann einfach dazu. Als Mensch könnte er das nicht ertragen.

Es gibt aber auch andere Tierrollenspieler, die wollen eher in die Rolle gezwungen werden, und wenn ich switchen würde, wäre das eher so die Schiene, auf der ich spiele in der Tierrolle. Und das ist dann auch was anderes, das geht mehr so in die Richtung Erniedrigungsspiele oder dieses Schema von Gezwungen-Sein zu was ... Man kann als Aktiver durchaus die Phantasie haben, den anderen in die Rolle zu zwingen und der geht gerne rein und spielt für sich ein bisschen ein anderes Spiel, das kann gut funktionieren.

[Frauenanteil:]

Es gibt nen starken Unterschuss, und es gibt zum Beispiel auf dieser Pet-Mailingliste auch kaum Aktive, und es gibt noch viel weniger aktive Frauen. Also die herrenlosen Hunde und Ponies, die eine weibliche Besitzerin suchen, sind da extrem überrepräsentiert.

In der Tier-Besitzer-Beziehung spielt dieses Wort "in Besitz nehmen" eine ziemlich starke Rolle. Was man so als Sklave-Herr-Szenario total dämlich fände, das kann man als Besitzer-Hund-Szenario oft prima ausleben. Nach dem Motto, das ist meins, und am liebsten die Hundemarke dranhängen und an die Leine legen und nicht mehr weglassen. Man kann mit diesen Besitz-Szenarien ein bisschen Verlustängste kompensieren, aber das ist unser persönliches Ding auch, und das wissen wir auch.

Ich quäl jemand sehr gerne mit Kitzeln, und ich finde, das ist eine unheimlich fiese Methode. Auf dem Sofa, und dem anderen sagen, er soll stillhalten, was er natürlich auf gar keinen Fall hinkriegen wird. Und wir gehören eindeutig zu der 'SM im Schlafanzug'-Fraktion, dass wir eigentlich sehr wenig mit Klamotten machen und das daheim dann so integrieren und halt auch den Käfig im Wohnzimmer haben. Aber ich glaub, das ist alles ziemlich Mainstream.

Wir machen eigentlich in dem Sinne überhaupt gar keinen normalen Sex, also dass wir miteinander vögeln. Das machen wir einmal im Jahr vielleicht. Wir sind Orgasmusjunkies, und die kriegen wir einfach nicht beim Vögeln, weiss nicht, weil die Reibung nicht passt oder sonstwas. Ich ärger mich manchmal ziemlich über SMler, die sich deshalb noch als irgendwie normal definieren, weil ihnen ja auch Sex noch Spass macht. Weil mir das dann das Gefühl gibt, hm, vielleicht bin ich ja wirklich unnormal - also, eigentlich denk ich nicht in dem Terminus, weil ich unser Sexleben einfach als rundum erfüllt betrachte, und zwar viel mehr als früher, wo ich mit irgendwelchen Leuten gevögelt hab, aber eigentlich nicht dieselben Lustgefühle hatte und nicht so viele Orgasmen und nicht so viel Spass. Wenn wir uns hauptsächlich gegenseitig befriedigen oder so, sind zwar nicht unbedingt SM-Elemente im mechanischen Sinn dabei, also dass jetzt einer unbedingt in Ketten liegen muss oder so, aber in unseren Köpfen sind lauter SM-Szenarien. Es gibt eigentlich keine, sag ich mal, normalen Fantasien, die uns antörnen, aber es fehlt mir einfach nicht viel. Ich find Vögeln sehr anstrengend für wenig Effekt. Jedesmal, wenn ich's dann wieder gemacht hab, denk ich, ok, jetzt reicht's wirklich für die nächsten Monate. Wir stellen uns das sehr witzig vor, wir wollen ja mal Kinder, und dann überlegen wir uns schon immer: hm, müssen wir dann vögeln oder können wir uns da irgendeine nette Insemination überlegen?

Ich kenn aber auch eine Menge Männer, die sagen, manchmal finden sie Vögeln ganz toll, aber sie wollen's nicht immer und sie finden auch, es ist anstrengend. Seit ich selber mit einem Dildo einen Mann gefickt hab, find ich auch, es ist wirklich anstrengend. Irgendwann tut einem alles weh, und mit dem Einfallswinkel, das muss ja immer passen, und dann darf man nicht zu schnell und nicht zu langsam und, ach, ich weiss gar nicht, wie Männer dabei einen Orgasmus kriegen können! Ich finde, es sollte eigentlich jede Frau mal sowas probieren, um zu realisieren, dass das ganz schön Arbeit ist.

Mir kommt inzwischen alles irgendwie normal vor. Also, mir kann eigentlich jemand erzählen, was er will - Probleme krieg ich eigentlich erst bei Leuten, die sich zum Beispiel unbedingt irgendwas abschneiden wollen, und jetzt noch nicht mal der Schwanz oder so, weil das hat für mich noch einen sexuellen Kontext, aber Leute, die sich Finger oder so abschneiden wollen, also, wo das auch irgendeine komische Querverdrahtung ist, da kann ich auch nichts mit anfangen und die würd ich tatsächlich auch lieber erst mal zu irgendeiner Therapie schicken. Wobei das wahrscheinlich auch nichts hilft. Ich weiss nicht, ob man solche Verdrahtungen wegkriegt. Ich würd sie bei mir ja auch nicht weghaben wollen. Es hat sich bei mir auch viel über die Zeit verändert, also ich war früher zum Teil heftig maso, und das bin ich heute einfach nicht mehr.

Wir werden schon schräger. Wir trauen uns mehr von dem auszuleben, was wir im Kopf haben. Weil man mit der Zeit die vielen Möglichkeiten kennenlernt, Dinge zu inszenieren und sie so zu inszenieren - es ist ja eh alles im Kopf, das heisst, zwei, drei Utensilien und die richtige Geschichte reichen, um ein Bild lebendig werden zu lassen. Und diesen Mut, Dinge wirklich einfach auszuleben, in einem schönen, sicheren Setting, die sich andere nicht trauen, das macht einen sogar innerhalb der Szene ungewöhnlich. Manchmal wird man dann beneidet und manchmal auch kritisiert. Wobei, die, die kritisieren, da hab ich oft das Gefühl, das sind die, die sich selber schier nicht aus der Ecke raustrauen und die nicht mal zu sagen wagen, was sie im Kopf haben.

Obwohl ich eigentlich fast nur noch auf der aktiven Seite spiele, sind meine Phantasien beim Orgasmus fast immer nur passiv. Und wenn ich einen Orgasmus mit aktiven Phantasien hab, dann ist er ... aggressiver. Ich kann das gar nicht besser ausdrücken. Er ist irgendwie fieser, ein bisschen böser, ich hab einfach andere Ideen dabei und die kommen dann auch für mich im Orgasmus anders rüber. Das ist dann so ein Ausbruch von Energie. Beim einen Orgasmus explodiert die Kontrolle, beim anderen das Loslassen.

Ich mach das primär deshalb, weil ich da meinen Sadismus auslebe. Ich tu das so verträglich wie möglich, aber ich such mir die Opfer, die's vertragen. Und ich hab mir auch absichtlich diesen Ruf zugelegt, dass zu mir gar nicht die Leute kommen, die nix vertragen, sondern dass sich eindeutig nur Leute an mich wenden, die ganz klar wissen, dass ich am liebsten schon eine recht heftige Feder führe, heftige Flagsessions oder auch ganz abgefahrene Sachen mach, die aber durchaus recht schmerzvoll sein können. Da ist mein Ruf ganz praktisch. Natürlich achte ich auf die Reaktionen. Aber ich hatte schon wunderbare Sessions, mit Gasmaske, wo ich von den Reaktionen kaum was gesehen habe und wo ich genau wusste, jetzt geh ich so hart an der Grenze entlang und es basiert wirklich nur darauf, dass ich's fordere, und es macht dem anderen eigentlich keinen Spass. Und das hat mich gekickt, und letztlich hat's den anderen genau deshalb dann auch gekickt, weil es hat ja fast jeder Phantasien, die auch in die noncon-Richtung gehen, aber die Spiele da hinzukriegen ist ganz schwierig, und das hab ich auch selten geschafft. Weil eigentlich bin ich dann doch immer so lieb, dass ich dann nicht wirklich über die Grenze hinwegschreite. Ich kann sehr sadistisch bis an die Grenze gehen, aber dann dort auch merken, wo's reicht.

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001