Die Wahl der Qual

 

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Das Inhaltsverzeichnis
nebst einigen Leseproben

Aus dem Nähkästchen
Die ungekürzten Interviews

Nach Redaktionsschluss
Was wir gerne noch geschrieben hätten ...

Für Tippfaule
Alle Links aus dem Buch
und noch ein paar mehr.

Impressum

Aus dem Nähkästchen

Interview mit Birgit

 

Ich kam 86 nach Berlin, und um die Zeit rum, insbesondere zwei Jahre später, gabs in so nem Frauenkulturladen damals SM-Partys oder Dinge, die den Ruf hatten, in die Richtung zu gehen, auch eine Bar, wo dann immer Frauen in Leder rumhingen, und das hat mich ungeheuer fasziniert. Vor allen Dingen hat mich auch fasziniert, so gerüchteweise, man hörte ganz schreckliche Dinge und hörte, dass dann irgendwelche Frauen aus dem selben Haus, die mehr so feministisch oder sagen wir mal, politisch korrekt nach den damaligen Definitionen waren, dass die immer fast Herzinfarkte bekamen, wenn die Betreiberin dieses Ladens zu den Hausplena erschien oder wenn überhaupt nur dieser Begriff erwähnt wurde. Also das war alles ganz mysteriös und da machte ich mich natürlich auf und bin da hingegangen. Wenn ich mir's jetzt im Nachhinein überlege - ich wusste damals noch zuwenig, aber da sind wirklich zum Teil Sachen organisiert worden, wo ich jetzt im Nachhinein weiß, was sie eigentlich für eine Bedeutung hatten damals. Also dass halt die Slechte Maiden aus Holland da mal ne Performance gemacht haben, ich kann mich nur noch dunkel erinnern, aber es lief da echt ziemlich viel ab. Es gab nen Spielkeller, und es war ziemlich was los.

Das war ein Frauen-Multimedialaden, der in der Potsdamer Str. 139 im gleichen Haus wie die Begine war. Es gab mehrere Managerinnen, die den betrieben haben über die Jahre, aber wer's auf SM ausgerichtet hat und wer damals diese ganzen Skandale angezettelt hat, war Mahide Lein. Es gab da eine Nachtbar, die war, glaube ich, immer Donnerstag bis Sonntag oder vielleicht auch jeden Abend geöffnet, das war ein richtiger Anlaufpunkt. Ich weiß, dass der Spielkeller genutzt wurde - wie oft und an welchen Abenden, das weiß ich nicht. Und ab und zu gab es halt Performances unterschiedlicher Qualität, die auch in diese Richtung gingen. Also der Ruf war nicht falsch. Es fanden dort tatsächlich schreckliche Dinge statt.

Was mich persönlich angeht, ich hatte dann eine Beziehung, in der SM ein Thema war, aber im Nachhinein würde ich sagen, dass ich das damals nicht irgendwie konkret gelebt hab. Ich hatte dann meine SM-Entwicklung immer ganz rapide in den USA. Ich war da sowieso jedes Jahr immer in San Francisco und hatte da dann einige Affären und bin da auf Playparties mitgenommen worden und hatte dann immer sozusagen ganz konzentriert in diesem einen Monat dann für den Rest des Jahres vorgearbeitet. Ja, und dann hat sich eigentlich erst für mich hier so richtig was getan als eine Freundin von dort zu Besuch kommen wollte und ich mit einer anderen, einer hiesigen Freundin ... ach, stimmt gar nicht, da hab ich zwischendrin noch was vergessen. Und zwar gab es zwischendrin die Sex Mafia. Die hatten drei oder vier Parties so im 2-3-Monatsabstand, die waren echt was ganz Besonders. Ich fand die sehr, sehr schön, immer mit Themen und einem unglaublichen Dekorationsaufwand, also eine Römerinnenparty, eine Oben-Ohne-Party, wo es dann auch ein Büffet mit einer Frau gab, solche Dinge. Die sind aber dann irgendwann auf eine große Frauenparty gegangen, haben dort auch einen Playroom eingerichtet und eine Performance auf der Bühne gemacht. Ich weiß nun nicht, wie die das selber einschätzen, aber für mich war's da vorbei. Weil da sind dann die Frauen von dieser großen Discoparty, die bekamen dann Führungen, das war so dieses Ding: wir machen Werbung für SM - die sind dann durch diesen Dungeon geführt worden und ihnen ist alles erklärt worden und es wurden Spielchen mit ihnen gemacht. Danach fand dann keine Party mehr statt. Das war intern, dazu kann ich nichts sagen, aber auch, weil sich das da einfach so ein bisschen verlaufen hat. Und mit dieser Freundin hatte ich schon öfter Gespräche geführt, dass man da weitermachen könnte, und jetzt läuft parallel dazu die bundesweite Entwicklung. Das war nämlich im September 97, als Schmacht! gegründet wurde. Eine Initiative von zwei Frauen, die halt einfach so quasi ein persönliches Netzwerk in Gang gebracht haben, also dass sie gesagt haben, kennst du da noch eine, kennst du da noch eine, bring doch die mit, von denen du denkst, dass die hier reinpassen, dass sie Interesse dran haben. Und da fanden dann mehrere Wochenenden statt, und wir haben dann einfach gesagt, dieses Netzwerk wird gegründet, aber mit einem sehr, sehr niedrigen Organisationsaufwand. Und da bezieh ich mich jetzt einfach nochmal auf diese letzte Party: meine ganz persönliche Erfahrung, das lässt sich sicher nicht verallgemeinern, ist, dass Werbung für SM in Frauenkreisen absolut für die Katz ist. Also, ich habe da überhaupt kein Bekehrungsinteresse - und da haben wir uns auch durchaus drüber gestritten, also das ist jetzt wirklich meine ganz persönliche Auffassung: Wer daran Interesse hat, findet schon die Frauen. Das hat sich bisher auch so herausgestellt, dass die, die so ein bisschen Eigeninitiative da reingesteckt haben und gesagt haben: Ich muss das in meinem Leben haben, wo sind sie? - dass die dann letztendlich auch länger dabeibleiben und sich engagieren. Und dass alle die, die man mit irgendwelchen Newslettern versorgt und mit Adresslisten und mit Clubinfos und weiß der Geier was, die kommen alle nicht. Die wollen einfach nur lesen, dass es sowas gibt. Naja, und dieses autonome Netzwerk ist halt wirklich so, wir wollten keinen Verein, wir wollten keine Strukturen, wir wollten keine Vorsitzende, wir wollten nichts in der Art haben, wir wollten eigentlich nur, dass wir sozusagen eine Möglichkeit haben - das ist jetzt auch wieder meine persönliche Interpretation - das Lustprinzip. Wir wollten ein Netzwerk haben, wodurch wir mehr Spaß haben können, persönlich, jede von uns. Und das hat für mich schon so funktioniert. Also es gibt jetzt eben ein relativ stabiles Netzwerk von sagen wir mal zehn richtig engagierten Frauen, die in verschiedenen Städten sitzen, die da auch Parties machen, und dann so drumherum vielleicht, ich glaube, Mitfrauen gibts so etwa 60, wobei ich sagen würde, dass davon auch so 20 wahrscheinlich sich auch nie gemeldet haben. Der aktive Kern ist wohl so 30-40 Frauen.

In Berlin gings dann weiter im Mai 88 [gemeint ist vermutlich Mai 98]. Da haben dann also besagte Freundin und ich uns zusammengesetzt und ich hatte schon ein Konzept entwickelt, wie ich mir so Parties vorstelle, und das war eigentlich total undenkbar. Ich wollte alkoholfrei haben, und wollte etwas, wo die Frauen was dazu beitragen müssen. Zu dem Zeitpunkt war es so, dass die AHA, also die Allgemeine Homosexuelle Arbeitsgemeinschaft, das ist so ein schwullesbischer Verein, die waren ganz wild darauf, Frauen in ihren Verein zu kriegen. Das hab ich noch nie erlebt, dass die Männer sich derart drum reißen und drum bemühen, dass die Frauen sich bei ihnen wohlfühlen. Und die wollten halt, weil sie selber auch eine Männererotikparty hatten, eine Frauenerotikparty. Das hing auch so ne Zeitlang in der Luft, weil auch die Frauen, mit denen ich mich zu diesem Thema zusammentelefoniert habe - da kam nichts bei raus. Und dann hatte eben meine Mitorganisatorin hier gesagt, wir wagen das so, wir versuchen das jetzt einfach mal. Und wir sind dann an die AHA herangetreten, haben erst mal so ein bisschen umwunden beschrieben, dass es erotisch und so ... aber mittlerweile ist es vollkommen klar, dass es eine SM-Party ist, die Jungs wollten sich schon unser Kreuz ausleihen, und so, also mittlerweile ist das überhaupt keine Frage mehr und sie unterstützen uns halt ganz wunderbar. Wir kriegen halt die Räume umsonst, müssen halt aber - und das ist eben dieses Mithilfeprinzip - die Frauen müssen am Tag zuvor oder am Tag danach jeweils eine Arbeitsschicht von zweieinhalb Stunden einlegen, wo sie aufbauen und abbauen, weil der Raum ist natürlich allgemein genützt.

Dann haben wir zwischendrin noch versucht, einen monatlichen Frauen-SM-Abend zu machen, der vollkommen gescheitert ist. Das war wieder so nach dem Motto, lass uns mal in die Szene gehen, ein bisschen werben, haben auch viel Presse gekriegt, also daran lags gar nicht. Weil wir zu dem Zeitpunkt einen sehr guten Draht hatten zum damaligen Club eXtrem, haben wir da einen Sonntagnachmittag für Frauen eingerichtet. Der fand exakt dreimal statt, dann haben wir's aufgegeben. Das erste Mal kamen 25 Frauen, das war ungefähr so das Maß, womit wir gerechnet hatten, haben sich schön die Performance angekuckt, haben schön beim Workshop nicht mitgemacht, und die, die dann kamen, saßen da und fragten, wann gibts die Performance? Da haben wir gesagt, so nicht, das war ein Eröffnungsgeschenk für euch, und wenn ihr was machen wollt, dann macht das. Und dann haben wir das aufgegeben, weil kamen dann halt fünf, sechs Frauen außer uns, wenns hoch kam. Und daraus haben wir die Konsequenz gezogen, dass wir eben diese AHA-Parties weitermachen, im Dreimonatsabstand etwa, und zusätzlich, wobei der Raum im Prinzip keine Rolle spielt, augenblicklich im Club Culture Houze eine Party machen, die auch etwa im Dreimonatsabstand stattfindet, und wo eben kein Aufbau involviert ist. Also wo sozusagen der Zugang ein bisschen, es ist ein bisschen weniger Eigeninitiative gefragt. Ändert auch ein bisschen das Publikum, aber da wir jetzt schon einen relativ genauen Blick haben für das, was funktioniert - für uns - also, wir kriegen einfach mittlerweile so ein Stammpublikum. Zuverlässig kann man mit 20-25 Frauen rechnen, die kommen und die Spaß haben, und was interessiert mich der Rest? Vor allem, ich habe auch Spaß - warum sollte ich in Dreiteufelsnamen SM-Parties organisieren, wenn ich dann dastehen muss und aufpassen, dass die sich auch alle richtig verhalten? Unsere Regelliste umfasst vier Seiten, das hat mit diesem Lustprinzip zu tun. Andere Leute schreiben halt nur drei Regeln hin, natürlich kann man das alles auf drei Regeln runterbrechen, und haben dann sogenannte Dungeon Monitors, also Wachkräfte, oder die Organisatorinnen achten selber drauf, dass nicht irgendwelche Dinge gemacht werden, die vielleicht unsicher sind, aber da hab ich keinen Bock drauf. Ich will auf diesen Parties selber spielen, und deswegen bitten wir halt drum, dass die Teilnehmerinnen sich diese Regeln gegenseitig einbleuen, vorher schon. Und da steht einfach wirklich für jede auch nur denkbare Situation was, und da kann man auch hinterher einfach sagen, so wird das gehandhabt, so ist die Regel, und da brauch ich nicht zu erklären, warum das so ist. Auf den AHA-Parties ist das überhaupt kein Problem. Was wir da auch machen, wir machen da sowieso immer ein Spiel am Anfang, was alle hassen wie die Pest, aber weil es funktioniert, machen immer alle brav mit, wo man schon im vorhinein einfach abchecken kann, was bei den anderen so drin ist, und einfach Namen lernt, Menschen ins Gesicht kuckt, und dann läuft die Sache auch. Also auf diesen Parties ist der Spielfaktor 90, 95 Prozent. Und ich glaube, dass das uns auch von den gemischten Parties unterscheidet, aber eben auch von anderen lesbischen Parties, die sich SM nennen. Es ist einfach ein ganz eigenes Konzept. Wir sorgen dafür, dass die Frauen in Kontakt kommen. Weil sie Schwierigkeiten haben, auf jemanden zuzugehen und sich vorzustellen und zu sagen, ich steh da und da drauf. Ich meine, das sind drei Schritte: du musst auf jemand zugehen, du musst irgendwie Smalltalk machen und dann musst du auch noch in der Lage sein, deine Sexualität zu beschreiben. Und all diese Sachen erledigen wir für sie, indem wir Spielchen und Liebesboten und frag mich nicht, was alles, einstellen. Und dann läuft das auch. Ne halbe Stunde ist viel, bis dann alle am Spielen sind. Naja, und eben wenn dann halt welche dazukommen, die sozusagen nicht durch unsere AHA-Schule gegangen sind, ja, also dadurch, dass wir das jetzt so ein bisschen geöffnet haben im Club Culture Houze, kommen natürlich auch welche, die damit nicht vertraut sind, dass alles geregelt ist, dass man für alles irgendwie betreut wird und so, die sich dann durchaus auch danebenbenehmen, die einen halt wirklich auch wieder in der Veranstalterrolle sehen, die halt dann rauchen ... es ist mir das erste Mal passiert, dass ich in meiner Veranstalterrolle angesprochen wurde, dass dann eine von meinem Stammpublikum ankam und sagte, du die rauchen da unten im Spielbereich. Das ist bei uns halt nicht angesagt. Dann bin ich da runter und hab gesagt, könnt ihr bitte eure Zigaretten ausmachen? - Ja wattn, wozu denn? - Sag ich, na weil das in den Regeln steht. - Hüh, höh. Total kindisch. Wo ich dann einfach nur sagen muss, da können sie hingehen, wo sie wollen, aber nicht bei mir. Wer sich das nicht vorher reingetan hat, ist für diese Parties nicht geeignet, und ich kann nur sagen, dann soll er halt ne eigene machen.

Und das dritte, was dann sozusagen an Meilensteinen passiert ist, ist, dass wir im letzten Jahr zu Ostern die erste Frauen-Leder-SM-Konferenz in Berlin gemacht haben. Es gab sozusagen eine Vorläuferin, das war die WALP in Amsterdam, die dann schon zum zweiten Mal stattfand bei der Amsterdam Leather Pride, die dieses Konferenzmodell für Europa vorgelebt hat, ja, und wir haben das dann sozusagen in Berlin ... da haben wir einen schönen Halbjahresabstand, November und April ... wir wollten eigentlich, dass sozusagen diese Konferenzen auch ein bisschen reisen, weil es gibt da schon Frauen aus London und Paris, auch zwei oder drei ganz aktive Frauen aus Schweden, aus Griechenland, also es ist wirklich sehr international, dass die das auch mal organisieren. Aber die sind zum Teil halt einfach nicht mit so schönen Strukturen gesegnet, dass die das einfach aus dem Boden stampfen können. Und deswegen haben wir das jetzt nochmal gemacht dieses Jahr. Ich war so ein bisschen im Zweifel, ob die Leute auch in diesem engen Abstand reisen. Ich sitze hier an der Quelle, ich brauch nur über die Straße zu gehen, aber würde ich zweimal im Jahr aus Griechenland irgendwo hinfahren, nur wegen SM, in Anführungsstrichen? Aber offensichtlich, also wir haben einen Riesenandrang und werden sicherlich so zwischen 60 und 80 Frauen sein.

[Frage: Vergleich zwischen Hetero- und lesbischen SM-Veranstaltungen]

Ich werde da eher für naiv gehalten, weil ich hatte auch auf einem Workshop, den ich gemacht habe, von meinen Erfahrungen in gemischten Clubs - also, ich hab verschiedene Erfahrungen. Die einen sind diese großen Fetischparties, wo alle irgendwie in ihrem billigen Lack-Outfit rumlaufen, wo dann eine schockierende Performance stattfindet und wo alle sich dran aufgeilen, dass sie da gewesen sind, meine Güte. Nach zwei von diesen Dingern hab ich mir gedacht, wenn da Fetischparty steht, braucht man nicht hinzugehen. Und jetzt bin ich halt immer so als Realitätscheck, wie sieht der Rest der Welt aus, ab und zu mal in gemischten Clubs. Daher kommt wahrscheinlich auch meine Naivität, womit ich supergute Erfahrungen gemacht hab, war im Club eXtrem, da waren wir immer zu mehreren regelmäßig alle zwei Wochen da, auf einen Samstagabend oder so, und ich hab da nie irgendwas - also von Spielstilen oder so kann man sagen - das waren aber Ausnahmen. Wir haben da nette Leute kennegelernt, und vor allem: wir sind halt wirklich nie belästigt worden. Mir ist mal so ein Fußfetischist zu Leibe gekrochen, also das war für mich so ein Eindruck, der kam dann her und wollte mir die Füße küssen und ich sagte, Junge, merkst du nicht, dass ich grade im Gespräch bin? - Ja, darf ich dann später ...? - Ja, kannst ja nochmal nachfragen. Und dann hab ich aber gemerkt, in dem Moment, wo er sozusagen abgelehnt war, ist er halt zu den nächsten schönen Stiefeln. Und dann dachte ich, na gut, wenns um die Stiefel geht, ok, dann geh halt woandershin Stiefel lecken. Aber er ging, weißt du, die haben sich dann einfach verdrückt, wenn man ihnen gesagt hat, dass man kein Interesse dran hat. Das waren für mich eigentlich ganz gute Erfahrungen, das hab ich eben auch in diesem Workshop erwähnt, woraufhin eine Frau, die eben auch nicht aus Berlin ist und sich als Bi-Frau in der Heteroszene bewegt, sagte, also du bist ja naiv. Sie fände das ganz alles schrecklich und würde dauernd irgendwie belästigt ... Kann ich nix zu sagen. Ich schätze halt mal, dass das auch ein Unterschied ist, ob du Top oder Bottom bist. Also wenn du da als dem Schönheitsideal entsprechende Femme auf dem Boden kniest, dann ... wir haben das mitgekriegt, wir haben ja dann auch in Gruppen gespielt, und da waren dann zum Teil einfach Szenen, ich meine, da läuft jedem der Speichel im Munde zusammen, und da standen dann natürlich auch die Typen. Aber sie haben immer Abstand gehalten. Mir ist es in dem Club nie passiert, dass mir wirklich jemand zu nahe kam. Ein bisschen anders wars dann auf einem gemischten Abend, und zwar einem richtig gemischten Abend, also nicht dieses Adam&Eve, wo ich mich sehr wohl gefühlt habe, also auf einem gemischten Clubabend im Club Culture Houze. Ich muss das betonen, ich bin da wirklich naiv, ich denke immer, die Leute sind irgendwie ernsthaft an Gesprächen interessiert und so ... da hatte ich ne Szene gehabt und war dann in diesem Sling-Raum und hatte sozusagen meine Faust in einer Frau. Und da kommt so'n Typ und stellt sich in die Tür. Also, mir ist ja klar, das ist ein gemischter Club, da sollen sie auch ihre Freude dran haben am Zukucken, die Tür stand offen, man hätte da kucken können. Aber er musste sich so reinlehnen. Ich hab nur gesagt, also entschuldige mal, kannst du vielleicht zwei Schritte zurücktreten. Und dann sagt er zu mir: Das ist ja unglaublich, was ihr immer für ein Theater macht! Dabei hab ich dich noch nicht mal angefasst! Und ich so, ... Was? Pass mal auf, du. Und der war dann aber nachher auch weg, und war wohl auch noch anderen negativ aufgefallen. Und so Geschichten hör ich schon, dass es sowas gibt, aber ich bin dann einfach auch gnadenlos. Ich bin dann fassungslos erstmal, aber dann kriegen sie auch eins auf die Nase. Ich finde das immer so erstaunlich, wenn man dann in einer reinen Frauengruppe ist - das find ich soziologisch richtig faszinierend: dass die Männer nicht verstehen, was wir aneinander finden. Da sitz ich dann zu dritt und unterhalte mich prächtig, und uns gegenüber sitzen wie auf der Hühnerstange drei Typen und denen läuft der Speichel aus dem Mund. Ich denk mir so, wir werden nicht mit euch reden. Wir werden schon gar nicht mit euch spielen. Wir unterhalten uns hier gerade. Was geht in eurem Kopf vor?

[Frage: Kontakt zur Subkultur herstellen bei Lesben]

Ich würde sagen, es sieht im Grunde eher trist aus. Also, es kommt halt drauf an, wie doll du es willst. Das hatte ich ja am Anfang schon gesagt: ich denke, wenn man SM als Lebensstil begreift, oder wenn es wirklich ein absolut nicht zu vernachlässigender Teil deines Lebens ist, dann findest du die Frauen auch. Also Schmacht kriegt ja ständig irgendwelche Anfragen. Es spricht sich schon ein bisschen rum, und klar kann man in vielen Fällen nicht zu seiner besten Freundin gehen und sagen, du, ich steh da drauf und was mach ich jetzt, aber du findest irgendjemanden. Glaub ich schon. Weil jetzt tun sich auch in Kleinstädten mittlerweile sich kleine Grüppchen auf. Die halt auch in der schwullesbischen Presse dann gefeiert werden, weil, endlich, Lesben und Sexualität, und dadurch sind diese Telefonnummern auch ... Ich denke, dass es lang dauert, bis man sich traut, weil es halt nicht unbedingt alle so prickelnd finden. Aber ich denke, am Ende findest du's. In der Schwulenszene hast du immer peripher Kontakt zu irgendwem, dem stimm ich sicherlich zu, aber was für mich halt wirklich ein ganz entscheidendes Begreifen war, dass ich immer dachte: Mein Gott, die Schwulen haben Lederparties ohne Ende! Und Clubs und frag mich nicht was alles, die laufen die ganze Woche, das muss ja eine Riesen-SM-Szene sein! Und war dann auch auf mehreren Schwulenparties, wo Lesben auch erlaubt und halbwegs geduldet waren, und hab mir das dann mal so von innen angekuckt und festgestellt, dass das zumindest nicht SM ist, so wie ich's versteh. Ist auch Fetisch. Es ist Lederfetisch, und es geht um Blasen und Geblasenwerden, und alles andere ist so ein bisschen Zutat. Aber richtige Spieler, glaube ich mittlerweile, da ist der Prozentsatz exakt derselbe wie bei Lesben und Heteros.

Ein Geschehnis ist eigentlich so das gewesen, was alles in einem kurzen Zeitraum zusammengefasst hat, das war nämlich, als wir auf dem Stuttgarter Lesbenfrühling waren. Da war ich eingeladen mit meinem SM-Workshop und mit meinem Sexworkshop. Und zwar persönlich von einer Veranstalterin, die vorher schon mal bei mir auf einem Sexworkshop war. Und das war meiner Meinung nach der Höhepunkt in der gesamten Geschichte dieses Lesbenfrühlings: da gab es einen Playroom. Weil diese Frauen das eben durchgesetzt hatten. Das war für mich auch der beste und vor allem auch der letzte Lesbenfrühling, auf dem ich war, weil die nächsten dann wieder sehr in Richtung "Wir sind die straighten Feministinnen und da gehört SM nicht dazu" organisiert waren. Aber ich tu mir das halt nicht rein, ich hab mich da jahrelang drüber aufgeregt, aber irgendwann denkt man sich, wenn ihr nicht wollt, dann lasst's halt bleiben. Aber bei diesem Lesbenfrühling gab es, und das haben sie ganz geschickt gemacht, ich wage zu behaupten, dass es bewusst war, aber vielleicht auch nicht, da haben sie parallel gelegt eine Kennenlernveranstaltung für Schmacht und einen Anti-SM-Workshop. Und wir dachten, naja, dann gehn wir da doch mal hin. Weil wir wollten wirklich mit diesen Frauen auch Kontakt aufnehmen. Das Hauptproblem ist ja, dass sie sich so derartig fürchten, dass sie auch niemals mit SM-Frauen Kontakt aufnehmen, sie beziehen ja alles aus der Literatur. Und wenn man dann natürlich Pat Califia liest, irgendwelche Phantasiegeschichten oder irgendwelche Sicherheitshandbücher, wo dann von möglichen Unfällen die Rede ist, hört sich das natürlich grauenhaft an, da würd ich auch schreiend davonlaufen, wenn ich davon noch nie gehört hätte. Naja, wir dachten also, wir stellen den Kontakt her, damit die mal ein bisschen Realismus in ihre Diskussion kriegen, und dann war der Raum verlegt. Also noch eine Barriere, wir konnten die einfach nicht finden. Und wir standen dann vor dem Gärtnerinnentreffen oder so, bis irgendwann eine rauskam, und wir dann so: Wir sind übrigens die SM-Lesben. - Ach, ja? Ist ja interessant. - Ja, wie war's denn da drin? - Ja, schön. - Ja, was habt ihr denn so besprochen? - Ja, Gärtnern. Daraufhin erfuhren wir also, dass dieser Workshop woanders war und beim Hinausgehen traf ich dann eine Freundin, die dortgewesen war und die also ganz nett auch die Fahne hochgehalten hatte für uns obwohl sie gar nicht eine von uns ist, aber die halt gesagt hatte, das wär alles faschistische Scheiße, was die da erzählen. Und da haben wir ihr erst mal auf die Schulter geklopft und gesagt, jetzt zeig uns doch mal, welche dabei waren. Und dann hat sie uns also drei, vier Frauen gezeigt, die da waren, und die haben wir uns dann am Schlawittchen gepackt und gesagt, so. Wir setzen uns jetzt hin und reden. Und das war ein sehr interessantes Gespräch, also, wir waren halt sehr offen und haben gesagt, ihr könnt euch hier ausschütten und uns Fragen stellen, aber die waren nicht in der Lage, Fragen zu stellen. Und dann haben wir Fragen gestellt, haben gesagt, wie macht ihr eigentlich Sex? Ihr redet immer nur darüber, wie wir Sex machen, erzählt mal, wir haben gar keine Ahnung, wie Vanilla-Sex geht. Die waren völlig überfordert. Aber am Schluss, glaub ich, haben wir so ein paar Vorurteile ausgeräumt gehabt. Nur wie gesagt, für mich ist es halt nicht mein allererstes Anliegen, der SM-Bewegung den Raum zu schaffen. Mir ist das recht, wenn ich irgendwo am Rande meine Ruhe habe.

Ich glaube, die Allgemeinheit, mein Gott, ja, die einen, die Schwierigkeiten haben, wenn jemand in Uniform durch den Saal läuft, die wenden sich dann halt an die Organisatorinnen, dann haben wir wieder einen Skandal, ja ... Es gibt einfach auf der einen Seite, auf der Anti-SM-Seite, gibts halt ein paar sehr militante Frauen, die jede Öffentlichkeit nutzen, insbesondere so Lesbenfrühlingstreffen, um ihre Message rüberzubringen, und auf der anderen Seite gibts uns, die wir sagen, wir sind alles ganz liebe Menschen. Ich finds halt schade, dass Frauen, die mir jetzt nicht so unglaublich nahestehen, dass ich mich um deren Seelenheil kümmern muss, dass die sich durch so viel durchwursteln müssen und sich erst mal damit befassen müssen, ob sie denn Feministin sein können und jemanden fesseln oder nicht. Und was ich schade finde, und deshalb mach ich ja auch immer meine SM-Workshops, ist, dass das Kommunikation verhindert, und dass Frauen dadurch nichts über SM lernen, weil sie's im stillen Kämmerlein machen müssen. Ich meine, diese SM-Workshops - ich mach sie jetzt nicht mehr, weil ich keine Lust habe, mich mit diesem Dreck auseinanderzusetzen, mit dieser Kennzeichnungspflicht - aber wenn ich sie mache, dann sind da 80 Frauen. Also es ist nicht so, dass da kein Interesse ist. Witzig ist halt, dass in Stuttgart - obwohl es da diesen Playroom gab und das Treffen relativ offen war - dass ich bei beiden Workshops gekennzeichnet war, obwohl der eine wirklich nur ganz am Rande SM enthält. Das war 1998 in Stuttgart. Ich erinner mich nur noch dunkel. Also ich hab gesagt, ihr könnt gern "SM-Inhalte" bei meinem SM-Workshop hinschreiben, ist klar, darum gehts ja, und dann war, glaube ich, mit der Hand auf den Türzettel geschrieben, auch beim Sex-Workshop wären SM-Inhalte. Oder irgendwie so. Das ist halt anderen auch noch passiert. Ich hatte halt irgendwie das Gefühl, in dem Moment, wo klar ist, dass du eine SM-Lesbe bist, bist du gekennzeichnet und nicht deine Veranstaltungen. Und das ist halt eine gefährliche Geschichte. Aber ich geh da nicht mehr hin ...

© Kathrin Passig - Ira Strübel 2000-2001